Brauchen Pferde Kraftfutter? – Ein Blick hinter die Futtertonne
- sabinelagies
- 21. Juni
- 2 Min. Lesezeit
In vielen Ställen gehört Kraftfutter zum Alltag. Morgens und abends klappern die Futtertröge, und für viele Reiter scheint es selbstverständlich: Das Pferd bekommt Kraftfutter. Doch ist das wirklich nötig – oder eher Gewohnheit? Was genau ist Kraftfutter eigentlich, wann ist es sinnvoll, und wer profitiert am meisten davon: das Pferd oder der Reiter?

Was ist Kraftfutter überhaupt?
Unter Kraftfutter versteht man energiereiches Futter, das in der Regel zusätzlich zum Raufutter (Heu, Gras) gefüttert wird. Es umfasst klassische Getreidesorten wie Hafer, Gerste und Mais, aber auch Pellets, Müslis und Ergänzungsfutter. Ziel ist es, dem Pferd mehr Energie, Eiweiß oder bestimmte Nährstoffe zuzuführen – besonders dann, wenn das Grundfutter nicht ausreicht.
Brauchen Pferde Kraftfutter?
Die klare Antwort: Nicht jedes Pferd braucht Kraftfutter.
Pferde sind von Natur aus Dauerfresser, spezialisiert auf energiearmes, rohfaserreiches Futter. Ein gesundes Freizeitpferd, das moderat geritten wird und gutes Heu und Mineralfutter bekommt, kann seinen Bedarf meist vollständig über Raufutter decken. Studien zeigen: Viele Pferde in leichter Arbeit werden durch zusätzliches Kraftfutter sogar überversorgt – mit allen negativen Folgen wie Übergewicht, Stoffwechselproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten.
Wann ist Kraftfutter sinnvoll?
Kraftfutter kann notwendig oder hilfreich sein, wenn:
Das Pferd intensiv gearbeitet wird, z. B. im Turniersport, bei Distanzritten oder harter Dressur- und Springarbeit.
Das Pferd schwerfuttrig ist, also trotz guter Raufutterqualität nicht ausreichend an Gewicht zulegt.
Eine besondere Versorgung notwendig ist, etwa bei jungen Pferden im Wachstum, trächtigen oder laktierenden Stuten oder bei Pferden mit bestimmten Krankheiten.
Aber auch hier gilt: Nicht „viel hilft viel“. Die Fütterung sollte immer individuell angepasst werden – basierend auf Leistung, Körpergewicht, Rasse, Temperament und Gesundheitszustand.
Wie geeignet ist Hafer als Kraftfutter?
Hafer ist das wohl klassischste Kraftfutter fürs Pferd – und das zu Recht. Er ist leicht verdaulich, hat ein gutes Verhältnis von Energie und Eiweiß und ist für den empfindlichen Pferdemagen oft besser verträglich als stark verarbeitete Futtermittel.
Wichtig ist allerdings:
Gute Qualität: Schimmel, Staub oder Ungeziefer können gesundheitsschädlich sein.
Menge und Ausgleich: Hafer ist phosphorreicher, aber calciumärmer – ein Mineralfutterausgleich ist nötig.
Angepasste Fütterung: Für leicht erregbare oder temperamentvolle Pferde kann Hafer „zu heiß“ sein, wenn zu viel gegeben wird. Sie setzen ihn in Bewegung um, während andere Pferdetypen ihn zu Fett verarbeiten und dick werden.
Für wen produziert die Futtermittelindustrie eigentlich?
Eine berechtigte Frage – mit kritischem Unterton. Die Futtermittelindustrie bietet heute eine Fülle an Produkten, die oft mehr dem Reiter und seinen Vorstellungen von „guter Fütterung“ entsprechen als den tatsächlichen Bedürfnissen des Pferdes. Geschmack, Optik, Werbung und das Versprechen von „mehr Leistung“ oder „mehr Glanz“ lenken schnell vom Wesentlichen ab: der artgerechten, einfachen Fütterung.
Viele Produkte enthalten Zucker, Aromastoffe oder Füllstoffe, die Pferde eigentlich nicht brauchen – oder die sogar schaden können. Und oft ist es nicht das Pferd, das das bunte Müsli will – sondern der Mensch, der sich durch die Auswahl und Vielfalt sicherer fühlt.
Fazit: Weniger ist oft mehr
Pferde brauchen vor allem eines: gutes Heu, ausreichend Bewegung und eine ruhige Hand bei der Fütterung. Kraftfutter ist kein Muss – sondern ein Werkzeug, das gezielt und mit Sachverstand eingesetzt werden sollte. Wer sein Pferd kennt, regelmäßig den Futterzustand kontrolliert und sich nicht von Marketingversprechen blenden lässt, kann oft mit weniger Kraftfutter gesünder und nachhaltiger füttern.
Denn am Ende zählt nicht, was auf dem Futtersack steht – sondern wie es dem Pferd wirklich geht.