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Der leichte Sitz nach Caprilli – Reiten im Gleichgewicht mit dem Pferd

  • Autorenbild: sabinelagies
    sabinelagies
  • 23. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. Juni

Heute ist der „leichte Sitz“ vor allem als praktische Hilfe im Gelände, beim Springen oder beim Anreiten junger Pferde bekannt. Doch er ist weit mehr als nur eine temporäre Reithaltung. Er war eine Revolution – und der Mann, der sie ausgelöst hat, war Federico Caprilli.


leichter Sitz

Wer war Federico Caprilli?


Federico Caprilli (1868–1907) war ein italienischer Offizier der Kavallerie und passionierter Reiter. In einer Zeit, in der Pferde noch regelmäßig in den Krieg zogen und Hindernisse unter Einsatz des eigenen Lebens genommen werden mussten, beobachtete Caprilli genau, wie Pferde sich ohne Reiter bewegten – insbesondere beim Springen und im Gelände.

Während die klassische Reiterei damals auf dem sogenannten „Rückwärtssitz“ bestand – ein starker Tiefsitz mit zurückgelehntem Oberkörper und ziehender Zügelführung – fiel Caprilli auf:Das Pferd springt ganz anders, wenn es alleine ist. Es streckt sich nach vorne, macht den Rücken rund, nutzt seine Hinterhand aktiv.

Caprilli erkannte:

„Das Pferd springt nicht besser, weil der Reiter es zwingt – sondern wenn der Reiter es nicht stört.“

Er entwickelte daraus den „leichten Sitz“, der heute auch als „Vorwärts-Sitz“ oder „Caprilli-Sitz“ bekannt ist.


Was ist der leichte Sitz?


Der leichte Sitz ist eine Reitposition, bei der der Reiter den Pferderücken entlastet, in dem er das Gesäß leicht anhebt, das Gewicht auf Oberschenkel und Bügel verteilt und den Oberkörper leicht nach vorne neigt, während er das Becken nach hinten schiebt – im Gleichgewicht mit der Bewegung des Pferdes. Die Zügel bleiben leicht und nachgiebig, die Hand folgt dem Pferdemaul, ohne einzuwirken.


Dieser Sitz stört nicht, blockiert nicht, kontrolliert nicht – sondern begleitet.


Caprillis Prinzipien wurden rasch berühmt. Er brachte seinen Schülern bei, mit den Pferden zu arbeiten – nicht gegen sie. Bald dominierten seine Techniken die Reiterei der italienischen Kavallerie. Seine Schüler gewannen internationale Springturniere. Auch das Springen über Naturhindernisse wurde sicherer, flüssiger, pferdeschonender.


Was ritt Caprilli?


Caprilli ritt alles – aber vor allem:

  • Junge, unausgebildete Pferde

  • Springpferde im Militärdienst

  • Geländestrecken mit Naturhindernissen


Dabei stellte er stets das Wohl des Pferdes in den Mittelpunkt. Seine Philosophie: Das Pferd ist kein „Sportgerät“, sondern ein Partner. Und wer will, dass ein Pferd freudig und leistungsbereit mitarbeitet, muss auf dessen Bewegungslogik Rücksicht nehmen.

Warum ist der leichte Sitz so genial?


Der leichte Sitz nach Caprilli ist bis heute modern, weil er:

  • den Pferderücken entlastet (besonders beim jungen oder empfindlichen Pferd)

  • die Bewegungsfreiheit des Pferdes erhält

  • dem Reiter hilft, das Gleichgewicht zu schulen

  • ideal ist für Springen, Gelände, erste Ritte junger Pferde, Reha-Arbeit und feinfühliges Reiten überhaupt


Er ist das Gegenteil von Zwang oder Korrektur. Stattdessen: Vertrauen, Gleichgewicht und Kooperation.


Rolf Becher – der Mann, der Caprilli zurückbrachte


In der deutschen Reitszene war Caprilli lange Zeit in Vergessenheit geraten. Der militärische Einfluss und die Betonung der klassischen Dressur hatten andere Sitzformen bevorzugt.

Doch in der Nachkriegszeit – etwa ab den 1950er Jahren – tauchte ein Mann auf, der sich Caprillis Ideen erneut zuwandte: Rolf Becher.


Wer war Rolf Becher?


Rolf Becher (1921–2008) war ein deutscher Reitlehrer, der sich früh von den starren Lehrmethoden der klassischen Reiterei abwandte, vor allem, als mehr und mehr nicht mehr gutes Reiten im Vordergund stand, sondern Showeffekte. Seine Haltung war:

„Nicht das Pferd ist falsch – die Methode ist es vielleicht.“

Becher beobachtete Pferde in Freiheit, hinterfragte alte Dogmen und stieß auf Caprilli. Begeistert vom Konzept des leichten Sitzes und dessen Logik, integrierte er ihn wieder in die Ausbildung – besonders bei jungen Pferden, in der Bodenarbeit und im Gelände.

Er lehrte, dass der Reiter nicht „oben drauf sitzt und bestimmt“, sondern Teil der Bewegung wird, Last wegnimmt, Vertrauen schafft. Viele seiner Schüler waren von der sanften, klaren und pferdegerechten Herangehensweise begeistert.


Rolf Becher wurde zum Impulsgeber der modernen, pferdefreundlichen Reiterei – auch als einer der Mentoren von Linda Tellington-Jones, die später ihre TTEAM-Methode entwickelte.


Fazit


Der leichte Sitz nach Caprilli ist mehr als nur eine Reithaltung – er ist ein Denkmuster:


  • Nicht stören.

  • Nicht hindern.

  • Nicht erzwingen.Sondern: Mitgehen, fühlen, entlasten.


Dank Menschen wie Rolf Becher, die den Mut hatten, alte Wege zu hinterfragen, lebt diese Idee heute weiter – in modernen Reitweisen, im Geländereiten, in der Jungpferdeausbildung und überall dort, wo Mensch und Pferd einander als Partner begegnen.


Caprilli hat es gezeigt. Becher hat es weitergegeben. Die Pferde danken es bis heute.

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