Hitzestress bei Pferden – erkennen, verstehen, vermeiden
- sabinelagies
- 27. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Wenn die Temperaturen steigen und die Sonne vom Himmel brennt, wird das Wetter auch für unsere Pferde zur Belastung. Besonders in den Sommermonaten kann es schnell zu Hitzestress kommen – mit teils gravierenden Folgen für die Gesundheit. In diesem Artikel geht es darum, wann Hitzestress auftritt, wie er sich äußert, was man tun kann, und wann man aufs Reiten verzichten sollte. Außerdem werfen wir einen Blick auf wissenschaftliche Studien, die das Thema beleuchten.

Wann tritt Hitzestress bei Pferden auf?
Pferde können grundsätzlich mit Wärme umgehen – bis zu einem gewissen Punkt. Kritisch wird es ab einer Temperatur-Luftfeuchte-Kombination, bei der die körpereigene Thermoregulation nicht mehr ausreichend funktioniert.
Als Faustregel gilt:
Temperatur (in °C) + relative Luftfeuchtigkeit (in %) > 130 → erhöhte Belastung
> 150 → akute Gefahr von Überhitzung
Beispiel: 30 °C bei 70 % Luftfeuchtigkeit = 100 – noch moderat. Aber 33 °C bei 80 % = 113 – grenzwertig.
Besonders gefährdet sind:
Dunkle oder dicke Pferde mit viel Fell
Übergewichtige Pferde
Alte oder kranke Tiere
Pferde mit eingeschränkter Herz-Kreislauf-Funktion
Pferde mit wenig Gelegenheit zur Anpassung an Hitze (z. B. nach Boxenruhe)
Symptome von Hitzestress
Die Anzeichen für Hitzestress entwickeln sich schleichend, werden aber oft unterschätzt. Typische Symptome sind:
Erhöhte Atemfrequenz (> 20 Atemzüge pro Minute im Ruhezustand)
Erhöhte Pulsfrequenz (> 44 Schläge pro Minute im Ruhezustand)
Übermäßiges Schwitzen (aber auch: kein Schwitzen bei heißem Wetter = Warnsignal!)
Teilnahmslosigkeit, Mattigkeit
Starkes Hecheln oder pumpende Flanken
Muskelzittern, wackeliger Gang
Erhöhte Körpertemperatur (> 38,5 °C, kritisch ab 39,5 °C)
Im Extremfall kann es zu einem Hitzschlag kommen – mit lebensbedrohlichen Folgen wie Kreislaufkollaps, neurologischen Symptomen oder Organversagen.
Was kann man gegen Hitzestress tun?
Prävention und Management sind das A und O:
1. Ausreichend Wasser
Pferde brauchen bei Hitze 30–60 Liter Wasser am Tag – bei Arbeit noch mehr.
Stets frisches, sauberes Wasser bereitstellen, ggf. mit Elektrolyten ergänzen.
Den Pferden Wasser in Bottichen anbieten. Viele Pferde nehmen aus Selbststränken nicht genug Wasser auf.
2. Schatten & Ventilation
Pferde auf der Weide müssen Zugang zu natürlichem oder künstlichem Schatten haben.
In Stallungen: gute Luftzirkulation, ggf. Ventilatoren (ohne Zugluft!) nutzen.
3. Arbeit anpassen
Training auf die kühlen Tageszeiten verlegen (früher Morgen, später Abend).
Intensität und Dauer reduzieren.
Pferd zwischendurch abspritzen (mit lauwarmem Wasser!) – kühlt durch Verdunstung.
4. Körperkühlung
Abspritzen: Wichtig ist, das Wasser mit einem Schweißmesser abzuziehen, damit es nicht isolierend wirkt.
Auf große Venenbereiche zielen: Hals, Beine, Brust.
5. Elektrolyte ausgleichen
Durch das Schwitzen verliert das Pferd wichtige Mineralstoffe (v. a. Natrium, Kalium, Chlorid).
Spezielle Elektrolytmischungen ins Futter oder Wasser geben – besonders nach Belastung. Wenn es eilt, kann man auch Apfelsaftschorle ohne Kohlensäure mit etwas Salz geben.
Wann sollte man auf das Reiten verzichten?
Reiten bei starker Hitze ist keine Härteprüfung, sondern ein Gesundheitsrisiko. Man sollte auf Training verzichten:
Bei Temperaturen über 30 °C, besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit
Wenn das Pferd schon beim Führen stark schwitzt oder hechelt
Bei Anzeichen von Erschöpfung, Appetitlosigkeit oder Lethargie
Wenn keine schattige Reitgelegenheit vorhanden ist
Auch der Reiter hat eine Verantwortung: Wer bei 35 °C in der prallen Sonne trainiert, riskiert nicht nur die Gesundheit des Pferdes, sondern auch seine eigene.
Studien & wissenschaftliche Erkenntnisse
Eine Studie der Kansas State University (2011) zeigte, dass Pferde bei Hitzeeinwirkung schneller dehydrieren und ihr Herz-Kreislauf-System stärker beansprucht wird als bei kühlen Temperaturen – selbst bei gleichem Trainingsniveau.
Die Universität von Minnesota veröffentlichte Messungen, nach denen sich die Körperkerntemperatur von Pferden bei Training im Sommer innerhalb von 15 Minuten um bis zu 2,5 °C erhöht.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) empfiehlt, bei einer „Heat Index“-Kombination über 150 auf Training komplett zu verzichten.
Erste Hilfe bei Hitzestress und Hitzschlag
Wenn ein Pferd deutliche Anzeichen von Hitzestress zeigt oder sich bereits im Hitzschlag befindet, zählt jede Minute. Sofortiges und richtiges Handeln kann lebensrettend sein.
1. Sofort Arbeit beenden
Reiten oder Longieren sofort abbrechen.
Pferd anhalten, ggf. absatteln.
Schatten oder kühle, luftige Umgebung aufsuchen.
2. Kühlen – aber richtig!
Mit lauwarmem (nicht eiskaltem!) Wasser abspritzen: Beine, Hals, Brust, Bauch.
Wasser regelmäßig abziehen, damit es nicht isolierend wirkt.
Wiederholt abspritzen und abschaben, bis sich die Haut merklich abkühlt.
Keine eiskalten Wasserbäder – das kann Kreislaufschock verursachen!
3. Luftzirkulation fördern
Pferd nicht in den Stall sperren, sondern luftige Umgebung suchen.
Handtuch oder Decke nicht auflegen, auch keine Abschwitzdecke – die verhindert Wärmeabgabe.
Ventilator einsetzen (mit Abstand), wenn vorhanden.
4. Wasser und Elektrolyte anbieten
Frisches Wasser bereitstellen, aber Pferd nicht zwingen.
Elektrolyte anbieten (z. B. in Mash oder aufgelöst im Wasser).
5. Kreislauf stabilisieren
Beine kalt abspritzen oder in feuchte Tücher wickeln – unterstützt Rückführung des Bluts zum Herzen.
Herz- und Atemfrequenz beobachten.
6. Tierarzt rufen
Wenn Symptome anhaltend oder schwer sind (z. B. hohes Fieber, Apathie, kein Schwitzen, wackeliger Gang, Kreislaufsymptome):👉 Sofort Tierarzt verständigen!
Notfall: Hitzschlag erkennen
Ein Hitzschlag ist ein veterinärmedizinischer Notfall. Alarmzeichen sind:
Körpertemperatur über 40 °C
Kein Schwitzen mehr trotz Hitze
Apathie, Muskelzittern, Krämpfe
Schnappatmung oder Hecheln
Kollaps, taumelnder Gang
Schleimhäute stark gerötet oder blass
Sofort kühlen und sofort den Tierarzt rufen! Und:
„Kühlen, kühlen, kühlen – aber mit Verstand!“
Je früher reagiert wird, desto besser sind die Chancen auf eine schnelle Erholung. Lieber einmal zu oft vorsichtig gewesen, als einmal zu spät.
Fazit
Hitzestress ist ein ernstes Thema – und wird mit dem Klimawandel zunehmend relevanter. Wer sein Pferd gut kennt, auf Anzeichen achtet und das Training anpasst, kann viel vermeiden. Pferde sind keine Maschinen. Sie sind biologische Lebewesen mit individuellen Grenzen – und die zu achten ist ein Zeichen guter Partnerschaft.
Tipp:
Führe im Sommer ein Hitzetagebuch: Notiere Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Trainingsart und Verhalten des Pferdes. So erkennst du frühzeitig Veränderungen – und lernst, dein Pferd besser zu verstehen.


