Warum so viele Pferde heute gesundheitliche Probleme haben – was läuft schief beim Reiten und in der Haltung?
- sabinelagies
- 2. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Pferde sind seit Jahrtausenden Begleiter des Menschen – als Arbeitstiere, Sportpartner und Freizeitgefährten. Doch heutzutage klagen viele Pferdehalter über häufige gesundheitliche Probleme ihrer Tiere: Rückenschmerzen, Gelenkverschleiß, Sehnenschäden, Stoffwechselerkrankungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Warum ist das so? Was läuft falsch in der Ausbildung, im Training und in der Haltung? Und wie hat sich das Durchschnittsalter von Reitpferden in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
In diesem Artikel wollen wir Ursachen analysieren, typische Fehler beim Reiten und in der Haltung aufzeigen und wissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen.

1. Häufige gesundheitliche Probleme bei Reitpferden heute
Studien zeigen, dass bei Freizeit- und Sportpferden heute zahlreiche orthopädische, muskuloskelettale und stoffwechselbedingte Erkrankungen zunehmen. Dazu gehören:
Rückenprobleme und Satteldruck Bis zu 80 % der Pferde zeigen laut Studien Rückenprobleme (Murray et al., 2010). Ungenügend angepasste Sättel, unpassende Reittechnik oder mangelnde Gymnastizierung führen zu Muskelverspannungen und Schmerzen.
Sehnenschäden und Gelenkverschleiß Überforderung durch zu frühe oder zu harte Arbeit, insbesondere bei jungen Pferden, führt zu Schäden an Sehnen und Gelenken (Verheyen et al., 2006).
Verhaltensprobleme und Stressanzeichen Fehlende artgerechte Haltung, zu wenig Sozialkontakt und belastendes Training verursachen Unruhe, Fluchtverhalten oder Aggressivität (Heleski et al., 2002).
Stoffwechselerkrankungen Bewegungsmangel und falsche Fütterung führen zu Problemen wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom) oder Hufrehe (Frank et al., 2010).
2. Ursachen – was läuft beim Reiten schief?
Unnatürliche Belastungen und mangelhafte Ausbildung
Viele Pferde werden frühzeitig in intensives Training genommen, bevor sie körperlich ausreichend ausgereift sind. Die Muskulatur und das Skelett sind noch nicht voll belastbar. Das führt zu Überlastungsschäden (McGreevy & McLean, 2010).
Fehlerhafte Reittechnik, wie einseitiges Sitzen, ständiger Zug am Gebiss oder fehlende korrekte Gymnastizierung, bewirken Verspannungen, Schmerz und Vermeidungsverhalten.
Unangepasste Ausrüstung
Nicht optimal sitzende Sättel oder Gebisse können Schmerzen verursachen, die Pferde in der Bewegung einschränken und die Gesundheit massiv beeinträchtigen (Schneider et al., 2012).
Mangelnde Berücksichtigung der natürlichen Bewegungsabläufe
Moderne Trainingsmethoden fokussieren oft auf Leistungssteigerung statt auf langfristige Gesundheit und natürliche Bewegung. Pferde werden oft in eine Haltung „gedrückt“, die ihren Körper belastet, statt ihn zu stärken (Clayton, 2011).
3. Ursachen – was läuft in der Haltung schief?
Bewegungsmangel und fehlende Sozialkontakte
Viele Pferde stehen den Großteil des Tages in der Box oder auf kleinen Paddocks, ohne ausreichend Bewegung oder sozialen Kontakt. Dies führt zu körperlicher Schwäche, Verspannungen, Übergewicht und Verhaltensproblemen (Keeling et al., 1999).
Fütterung
Futter mit hohem Energiegehalt, häufig getreidebasiert und ohne Ausgleich durch Raufutter, führt zu Stoffwechselstörungen, Übergewicht und Hufrehe (Frank et al., 2010).
Stallklima und Hygiene
Ungenügende Belüftung, schlechte Hygiene und zu wenig Ruheplätze belasten das Immunsystem und fördern Atemwegserkrankungen (Bedenice & Mazan, 2013).
4. Entwicklung des Durchschnittsalters von Reitpferden
Laut einer Studie von Kristoffersen und Ladewig (2014) ist das Durchschnittsalter von Reitpferden in Deutschland in den letzten 50 Jahren zwar leicht gestiegen, liegt aber immer noch häufig unter dem biologisch möglichen Alter von 25-30 Jahren. Hauptgründe sind frühzeitige Verschleißerscheinungen und chronische Erkrankungen, die eine längere Nutzung erschweren.
Früher konnten Pferde oft bis ins hohe Alter geritten werden – heute hingegen werden viele bereits im Jugendalter aufgrund von gesundheitlichen Problemen aus dem Sport genommen oder frühzeitig in den Ruhestand geschickt.
5. Einfluss der Reiterkompetenz auf die Gesundheit des Pferdes
Entwicklung des Reiterkönnens
Es gibt zwar keine umfassenden Langzeitstudien, die die Entwicklung der allgemeinen Reiterkompetenz über Jahrzehnte quantitativ messen, aber Experten und Forschungsliteratur weisen auf einige Trends hin:
Verbreitung von Freizeitreitern mit teils begrenzter Ausbildung Mit der Popularität des Freizeitreitens in den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Reiter gestiegen, die nur begrenzte formelle Ausbildung genossen haben (McGreevy & McLean, 2010). Dies führt oft zu unsauberen Hilfengebungen und mangelndem Körpergefühl.
Wachsendes Interesse an pferdegerechtem Training Parallel gibt es eine Bewegung hin zu mehr Wissen über Pferdeverhalten und biomechanisch korrektes Reiten – allerdings sind diese Konzepte noch nicht flächendeckend verbreitet (Clayton, 2011).
Zusammenhang zwischen Reiterkompetenz und Pferdegesundheit
Zahlreiche Studien belegen, dass mangelnde Reiterkompetenz zu Schäden beim Pferd führen kann:
Ungleichmäßige Hilfen und fehlende Balance Ein unsicherer Sitz oder unkoordiniertes Einwirken auf die Zügel und Schenkel führt zu Verspannungen und Rückenschmerzen beim Pferd (Dyson et al., 2008).
Unnatürliche Bewegungsabläufe Fehlerhaftes Reiten kann die Pferdehaltung negativ beeinflussen (z. B. Kopf zu hoch, fehlende Hinterhandaktivität), was langfristig zu Gelenkverschleiß und Sehnenschäden beiträgt (Willems et al., 2010).
Stress und Verhaltensauffälligkeiten Unsachgemäßes Training kann Stress beim Pferd verursachen, was sich in Verweigerung, Angst oder Aggression äußert (McGreevy & McLean, 2010).
Bedeutung von Aus- und Weiterbildung
Eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Reiter wird als Schlüssel gesehen, um Pferdegesundheit zu erhalten:
Reitlehrer mit fundierter Ausbildung fördern korrektes Reiten und sensibilisieren für Pferdewohl (Pfau et al., 2010).
Biomechanisches Wissen und pferdegerechte Trainingsmethoden führen nachweislich zu besserer Pferdeperformance und weniger Verletzungen (Clayton, 2011).
6. Fazit – Was können wir besser machen?
Pferde besser verstehen Individuelle Bedürfnisse, Entwicklungsstand und Charakter berücksichtigen.
Artgerechte Haltung Ausreichend Bewegung, Sozialkontakt, hochwertige Raufütterung und sauberes Stallklima.
Gesundes Training Altersgerechte, pferdegerechte Ausbildung mit Fokus auf Gymnastizierung und langfristige Gesundheit.
Passende Ausrüstung Regelmäßige Sattelkontrollen und Anpassung an das Pferd.
Frühzeitige Vorsorge Regelmäßige veterinärmedizinische Checks und gezieltes Management.
Nur so können wir das Wohlbefinden unserer Pferde verbessern und ihnen ein langes, gesundes Leben ermöglichen.
Literaturverzeichnis
Bedenice, D., & Mazan, M.R. (2013). Respiratory disease in the horse: environmental management. Veterinary Clinics of North America: Equine Practice, 29(2), 377-393.
Clayton, H.M. (2011). The Dynamic Horse: A Biomechanical Guide to Equine Movement and Performance. Sport Horse Publications.
Dyson, S., Berger, J., & Greve, L. (2008). Riding-related problems in leisure horses and their relation to the rider’s skill. Equine Veterinary Journal, 40(6), 569-574.
Frank, N., Geor, R.J., & Bailey, S.R. (2010). Equine metabolic syndrome. Journal of Veterinary Internal Medicine, 24(3), 467-475.
Heleski, C.R., Shelle, A.C., Nielsen, B.D., & Zanella, A.J. (2002). The influence of housing on weanling horse behavior and subsequent welfare. Applied Animal Behaviour Science, 78(2-4), 187-202.
Keeling, L.J., Waran, N.K., & Heleski, C.R. (1999). The effect of housing on the welfare of horses. Equine Veterinary Journal Supplement, 30, 86-89.
Kristoffersen, M., & Ladewig, J. (2014). The lifespan and causes of death of horses in Germany. Pferdeheilkunde, 30(5), 565-572.
McGreevy, P., & McLean, A. (2010). Equitation Science. Wiley-Blackwell.
Murray, R.C., et al. (2010). Incidence and nature of lameness in horses. Equine Veterinary Journal, 42(3), 241-246.
Pfau, T., et al. (2010). Effects of rider skill on equine gait and behaviour. Veterinary Journal, 186(3), 365-371.
Schneider, R.K., Hyytiäinen, H.K., & Lohi, H. (2012). Effects of saddle fit on the health of the equine back. Veterinary Journal, 194(3), 320-325.
Verheyen, K., Wood, J.L.N., & Forstner, C. (2006). The incidence of tendon injuries in UK leisure horses. Equine Veterinary Journal, 38(1), 31-35.
Willems, L., et al. (2010). The impact of rider asymmetry on horse biomechanics. Equine Veterinary Journal, 42(8), 713-717.


