top of page

Angst überwinden nach einem Reitunfall – so finden Reiter zurück in den Sattel

Ein Sturz vom Pferd hinterlässt oft mehr als nur körperliche Blessuren. Die seelischen Folgen – Unsicherheit, Anspannung, Angst – können hartnäckiger sein als blaue Flecken. Selbst erfahrene Reiter erleben nach einem Unfall Momente, in denen der Gedanke ans Aufsteigen mulmig wird. Doch Angst ist keine Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers, um uns vor Gefahr zu schützen. Die gute Nachricht: Sie lässt sich überwinden.


Sturz vom Pferd

Warum Angst nach einem Sturz so hartnäckig ist


Sportpsychologisch betrachtet aktiviert ein Sturz das Furchtgedächtnis. Die Erinnerung an den Unfall verknüpft das Gehirn mit bestimmten Reizen (Sattel, bestimmtes Pferd, bestimmte Gangart). Diese Assoziation löst künftig Stressreaktionen aus – auch dann, wenn objektiv keine Gefahr besteht (Madbarn, 2023). Ziel der Angstbewältigung ist es, diese Verbindung durch neue, positive Erfahrungen zu überschreiben.


Wissenschaftlich fundierte Wege aus der Angst


1. Schrittweise Annäherung (Graduierte Exposition)

Die graduierte Exposition ist eine bewährte Methode aus der Verhaltenstherapie: Man nähert sich dem angstauslösenden Reiz in kleinen, kontrollierten Schritten.

Das kann so aussehen:


  • Bodenarbeit mit einem ruhigen Pferd

  • Spazierengehen

  • Aufsteigen und im Stand sitzen

  • Schritt reiten auf sicherem Platz

  • Langsam steigern, erst später Trab oder Galopp


„Gehe es langsam an. Atme tief. Arbeite daran, dich bei jedem Schritt zu entspannen. Und halte an diesen kürzeren Trabstrecken fest.“(Übersetzt aus Reddit, r/Equestrian, 2024)

Forschung zeigt, dass sich durch wiederholte, sichere Erlebnisse die Angstreaktion des Gehirns reduziert (Psychology Today, 2023).


2. Gedankenarbeit & Reframing

Angst wird oft durch katastrophisierende Gedanken verstärkt („Ich werde wieder stürzen“). Das Reframing hilft, diese Gedanken bewusst in realistische, konstruktive Botschaften umzuwandeln:


  • Aus „Ich verliere die Kontrolle“ wird „Ich reite in einem sicheren Rahmen und kann jederzeit anhalten.“


Sportpsychologen raten dazu, negative Selbstgespräche aktiv zu ersetzen, da Sprache unser Gefühl beeinflusst (Horse & Hound, 2024).


3. Mentale Werkzeuge: Atmung, Haltung, Fokus

Physiologische Signale wie hoher Puls oder flache Atmung verstärken das Angstgefühl. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen:


  • Atemtechnik: 4 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen

  • Körperhaltung: Aufrechte Position signalisiert Sicherheit – nicht nur nach außen, sondern auch an das eigene Nervensystem

  • Fokus lenken: Zahlen im Takt der Schritte oder bewusst die Umgebung beschreiben


4. Positive Visualisierung

Vor dem Reiten hilft es, sich gedanklich einen „Film“ ablaufen zu lassen, in dem der Ritt ruhig, sicher und erfolgreich verläuft. Diese Technik wird im Spitzensport genutzt, um das Gehirn auf Erfolg zu programmieren (HorseSport, 2022).


5. Alexander-Technik für Körperbewusstsein & Losgelassenheit

Einige Reiter berichten, dass ihnen die Alexander-Technik nach einem Sturz geholfen hat, wieder entspannt und selbstsicher zu reiten. Diese Methode schult feines Körperbewusstsein und Bewegungskoordination. Durch gezielte, sanfte Korrekturen von Haltung, Balance und Muskelspannung lernen Reiter, unbewusste Verspannungsmuster zu lösen, die oft mit Angst gekoppelt sind. Studien belegen, dass Alexander-Technik nicht nur zu einer besseren Körperhaltung führt, sondern auch das Stress- und Angstlevel senken kann – beides entscheidend, um nach einem Unfall wieder Vertrauen zu fassen.


6. Psychologische Unterstützung & Coaching

Manchmal ist es sinnvoll, die Angst professionell zu begleiten:


  • Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) hilft, Auslöser zu erkennen und gezielt zu verändern

  • Sportpsychologische Beratung verbindet mentale Strategien mit reiterlichem Training


7. Ursachenanalyse & Sicherheitsanker

Eine ehrliche Analyse des Unfalls ist wichtig: War es Ausrüstung, Gelände, Pferdeverhalten oder Technik? Daraus entstehen gezielte Verbesserungen. Ein zusätzlicher Sicherheitsanker kann Schutzkleidung sein – viele Reiter berichten, dass ein Bodyprotektor oder eine Airbag-Weste ihr Sicherheitsgefühl stärkt.


Tipps für die Praxis


  • Langsam steigern – lieber viele kleine Erfolgserlebnisse als ein zu schneller Schritt

  • Verlässliches Pferd – ein ruhiges, erfahrenes Pferd ist Gold wert

  • Ritual einführen – z. B. Atemübungen vor jedem Aufsteigen

  • Erfolge dokumentieren – Fortschritte aufschreiben oder filmen

  • Mitfühlend mit sich selbst umgehen – Angst ist kein Makel, sondern ein Zeichen, dass Sicherheit Priorität hat


„Gehe langsam vor und tue nur, womit du dich wohlfühlst … Wenn ich reite, ist es manchmal nur ein paar Minuten Schritt.“(Übersetzt aus Reddit, r/Equestrian, 2023)


Fazit


Angst nach einem Sturz ist normal – und sie kann überwunden werden. Der Schlüssel liegt in einem Mix aus mentalen Strategien, sicherem Umfeld, kleinen Schritten und Geduld. Methoden wie die Alexander-Technik können zusätzlich helfen, Körperbewusstsein und Losgelassenheit zurückzugewinnen. So kann das Vertrauen wachsen und das Reiten wieder zu dem werden, was es sein soll: Freude, Verbindung und Freiheit.


Quellen

bottom of page