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Das Lauftier Pferd – Warum Bewegung über Leben und Gesundheit entscheidet

Pferde sind Lauftiere. Das klingt zunächst simpel – ist aber ein zentraler Schlüssel zum Verständnis ihrer Bedürfnisse, ihrer Anatomie und ihrer Gesunderhaltung. Wer ein Pferd artgerecht halten, reiten und trainieren möchte, muss wissen, was es bedeutet, dass Pferde evolutionsbiologisch als Dauerläufer entstanden sind. In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf den Bewegungsapparat des Pferdes, seine erstaunlichen Fähigkeiten – und die Konsequenzen, die sich daraus für Haltung und Reiten ergeben.


freie Bewegung

Der Bewegungsapparat des Pferdes: Auf Ausdauer optimiert


Pferde stammen von Steppentieren ab, die täglich weite Strecken zurücklegten – langsam, aber stetig. Der Körperbau eines Pferdes ist perfekt auf diese Lebensweise abgestimmt:


  • Die langen Beine mit vielen Sehnen und vergleichsweise wenig Muskulatur ermöglichen energieeffiziente Fortbewegung.

  • Ein hochspezialisiertes Huf-Sehnen-System wirkt wie ein natürlicher Stoßdämpfer und Energiespeicher.

  • Die Rückenmuskulatur ist weniger für das Tragen geeignet als für das Schwingen – sie braucht Bewegung, um zu funktionieren und vor allem braucht sie das abwechselnde An- und Abspannen in Zusammenarbeit mit der Bauchmuskulatur.

  • Der gesamte Stoffwechsel, vom Verdauungstrakt bis zum Lymphsystem, ist auf kontinuierliche Bewegung angewiesen.


Stillstand bedeutet für das Pferd daher nicht Entspannung, sondern Stress – körperlich und psychisch.


Wozu befähigt der Bewegungsapparat das Lauftier Pferd?


Pferde sind keine Sprinter, sondern Dauerläufer. In freier Wildbahn legen sie 15 bis 30 Kilometer täglich zurück – meist im Schritt. Das ist keine sportliche Höchstleistung, sondern Lebensnotwendigkeit.


Bewegung hält:


  • die Gelenke geschmeidig,

  • die Muskeln durchblutet,

  • die Verdauung in Gang,

  • das Herz-Kreislauf-System aktiv,

  • und die Psyche stabil.


Selbst der Huf braucht den Wechsel von Belastung und Entlastung, um gesund zu bleiben. Bewegung ist also kein „Nice to have“, sondern existenziell.


Was bedeutet das für die Pferdehaltung?


Die Antwort ist eindeutig: Haltung muss Bewegung ermöglichen – und zwar täglich, ausdauernd und freiwillig. Boxenhaltung mit gelegentlichem Koppelgang wird dem Lauftier Pferd nicht gerecht.


Eine artgerechte Haltung sollte:


  • ausreichend Platz bieten, um sich aus eigenem Antrieb zu bewegen,

  • dauerhaften Zugang zu Sozialkontakten ermöglichen (denn Bewegung ist oft sozial motiviert),

  • strukturierte Flächen enthalten, die zum Erkunden, Wandern, Traben und Spielen anregen (z. B. Aktivstall oder gut durchdachte Paddock-Trails),

  • rund um die Uhr Raufutter bereitstellen, damit das Pferd in natürlichem Rhythmus frisst und sich bewegt.


Pferde, die in einer solchen Umgebung leben, zeigen deutlich weniger Verhaltensprobleme, sind körperlich gesünder und leistungsfähiger.


Und was bedeutet das fürs Reiten?


Wer reitet, greift aktiv in den Bewegungsapparat des Pferdes ein – und übernimmt damit Verantwortung. Ein Pferd zu reiten, das sich nicht ausreichend frei bewegen darf, ist wie einen Marathonläufer mit eingegipstem Bein zum Rennen zu schicken.

Reiten kann für ein Pferd gesund sein – wenn es ausbalanciert, gymnastizierend und pferdegerecht geschieht.


Dabei gilt:


  • Aufwärm- und Abwärmphasen sind Pflicht.

  • Die Losgelassenheit steht über allem. Nur ein locker schwingender Rücken kann gesund tragen.

  • Das Reiten sollte die natürliche Bewegung unterstützen oder wieder herstellen (beim jungen Pferd), nicht blockieren.

  • Es braucht regelmäßige Bewegungseinheiten – auch außerhalb des Trainings (z. B. Spaziergänge, freies Laufen, Gelände).


Ein Pferd, das sich täglich ausreichend frei bewegen darf, wird auch unter dem Sattel besser, gesünder und motivierter mitarbeiten.


Fazit: Bewegung ist kein Extra, sondern Grundbedingung


Das Lauftier Pferd ist auf Bewegung gebaut – körperlich und seelisch. Wer ein Pferd hält oder reitet, übernimmt Verantwortung für die Erfüllung dieses Grundbedürfnisses. Dabei ist nicht Sportlichkeit entscheidend, sondern natürliche, regelmäßige, freiwillige Bewegung. Erst dann kann das Pferd sein Potenzial entfalten – gesund, leistungsbereit und zufrieden.

Tipp: Frag dich ehrlich – wie viele Kilometer bewegt sich dein Pferd pro Tag aus eigenem Antrieb? Wenn es deutlich weniger als 10 sind, lohnt sich ein Blick auf die Haltungsbedingungen. Es geht nicht um Perfektion, aber um das Streben nach mehr Pferdegerechtigkeit. Schritt für Schritt – ganz wie das Lauftier selbst.

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