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"Richtig bemuskelt – so sieht ein gut gerittenes Pferd aus"

Pferde können vieles kompensieren – auch falsches Reiten. Doch ihr Körper verrät mehr, als man denkt. Wer genau hinschaut, erkennt an der Muskulatur, ob ein Pferd korrekt gearbeitet wurde oder ob es sich über Monate hinweg falsch bewegt hat. Richtige Bemuskelung ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern ein zentraler Hinweis auf Gesundheit, Trainingsqualität und Reitweise.


Pferd im Schnee

Warum ist Bemuskelung so wichtig?


Muskeln schützen die Gelenke, stabilisieren den Rücken und ermöglichen überhaupt erst das Tragen eines Reiters. Nur ein gesund trainiertes Pferd kann die Belastung durch das Reitergewicht langfristig schadlos tragen. Besonders im Fokus: Tragemuskulatur und Tragkraft.


Sichtbare Unterschiede: Korrekte vs. falsche Bemuskelung


Hier ein direkter Vergleich der wichtigsten Muskelpartien – mit Beschreibung, woran man korrektes bzw. falsches Reiten erkennt. Vorsicht bei dicken Pferde: Ein Speckhals ist kein Zeichen für gutes Reiten!


1. Halsmuskulatur

Merkmal

Korrekte Bemuskelung

Fehlbelastung / Falsches Reiten

Oberlinie

Gleichmäßig gewölbt, beginnt sanft am Genick, läuft tragend bis zum Widerrist.

Abfallend, flach oder sogar eingefallen – wirkt „leer“.

Unterlinie

Glatt, ohne sichtbare Spannung oder Muskelwulst.

Dicke Muskelstränge – oft sichtbar als „Umkehrhals“.

Erklärung

Der Nackenmuskel trägt den Hals wie eine Brücke.

Das Pferd hält den Hals mit dem Unterhals gegen die Reiterhand.


2. Rücken

Merkmal

Korrekte Bemuskelung

Fehlbelastung / Falsches Reiten

Rückenlinie

Sanft gewölbt, Muskulatur schmiegt sich an die Wirbelsäule.

„Tischrücken“: flach und hart oder eingesunken.

Schulterblatt

Gut eingebettet, Übergang zum Rumpf fließend.

Delle hinter dem Schulterblatt – Zeichen für Vorhandlastigkeit.

Erklärung

Ein schwingender Rücken ermöglicht tragende Bewegungen.

Ein fester Rücken verhindert Schwung – das Pferd entzieht sich.

3. Bauchmuskulatur

Merkmal

Korrekte Bemuskelung

Fehlbelastung / Falsches Reiten

Bauchlinie

Leicht aufgezogen, gespannt wirkender Unterbauch.

Hängender Bauch, Bauchdecke schlabbrig.

Erklärung

Aktivierung der Bauchmuskeln hebt den Rücken an.

Passives Pferd nutzt Bauchmuskulatur nicht – Rückenschäden möglich.

4. Kruppe & Hinterhand

Merkmal

Korrekte Bemuskelung

Fehlbelastung / Falsches Reiten

Kruppenform

Rund, gleichmäßig gefüllt, Übergang zum Schweif weich.

Flach oder einseitig dominant – Muskeldefizite sichtbar.

Beinmuskeln

Straffe, kräftige Beuger, klarer Muskelverlauf bis zum Sprunggelenk.

Dünne Hinterbeine oder Übermuskulatur durch reines „Schieben“.

Erklärung

Das Pferd „trägt“ mit der Hinterhand – es fußt unter.

Das Pferd schiebt oder kompensiert – Rücken kann nicht schwingen.

Drei typische Fehlbilder und was sie bedeuten


1. Das „Bodybuilder-Pferd“

  • Übermäßig muskulöser Unterhals, gespannte Schulter, blockierte Hinterhand.

  • Ursache: Dauerhafte Anlehnung, Rollkur, Zwangshaltung.

  • Wirkung: Unwilligkeit, Zügellahmheit, Rückenprobleme.


2. Das „Hängemattenpferd“

  • Durchhängender Rücken, hängender Bauch, eingefallene Kruppe.

  • Ursache: Reines Vorwärts-Reiten ohne Gymnastik, kein aktives Untertreten.

  • Wirkung: Verschleiß an Rücken und Gliedmaßen, Trageerschöpfung.


3. Das „Einseitige Pferd“

  • Linke Schulter dicker als rechte, ein Hinterbein muskulöser, Schiefe im Hals.

  • Ursache: Reiter arbeitet nur auf der „Lieblingshand“, korrigiert natürliche Schiefe nicht.

  • Wirkung: Ungleichgewicht, Stolpern, Lahmheiten.


Fazit

Richtige Bemuskelung ist sichtbar – und fühlbar. Sie zeigt, ob ein Pferd getragen oder nur geritten wurde, ob es mitarbeitet oder sich wehrt. Dabei geht es nicht um „Muskelberge“, sondern um ein harmonisch, funktionell trainiertes Pferd, das sich in Balance und im Gleichgewicht bewegt.


Die wichtigsten Leitsätze:

  • Muskelaufbau braucht Zeit, Geduld und System.

  • Qualität ist wichtiger als Quantität – kurze, gute Arbeit ist besser als langes Herumreiten.

  • Nicht der Taktstock macht den Musiker – sondern das Feingefühl. Beim Reiten ist es genauso.


Was deutet auf gutes Reiten hin?


Ein Pferd, das korrekt gearbeitet wird, zeigt sich:


  • locker im Rücken

  • mit aktiver, untertretender Hinterhand

  • mit wacher, freier Vorhand

  • in Balance – nicht nur im Schritt, sondern in allen Gangarten


Es trägt sich selbst, kann sich biegen und aufrichten, hat Spaß an Bewegung – und vor allem: Es sieht nicht "gemacht", sondern natürlich kräftig aus.


„Brav sein“ ersetzt kein Training


Ein Pferd, das „lieb“ ist und scheinbar problemlos geritten werden kann, wird oft als „fertig“ oder „pflegeleicht“ betrachtet. Doch Vorsicht: Bravheit ist kein Zeichen von Tragkraft, Gesundheit oder Ausbildung. Auch ein geduldiges, freundliches Pferd leidet still, wenn es körperlich überfordert oder dauerhaft falsch belastet wird.


Nur weil sich ein Pferd nicht wehrt, heißt das nicht, dass es geeignet oder bereit zum Reiten ist. Tragfähigkeit, Muskelaufbau, Balance und Rückenschonung entstehen durch systematisches Training – nicht durch Reitstunden auf gutem Willen. Wer ein Pferd reitet, ohne es vorzubereiten, nutzt es – aber er fördert es nicht. Und vor allem: Er hält es nicht gesund.


Gutes Training ist aktive Gesundheitsfürsorge!



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