Sitzfehler beim Reiten erkennen und korrigieren – Ursachen, Folgen und wissenschaftliche Erkenntnisse
- sabinelagies
- 2. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Der Reitersitz ist das Fundament jeder feinen Kommunikation zwischen Mensch und Pferd. Ein ausbalancierter, losgelassener Sitz ermöglicht es dem Reiter, gezielt und feinfühlig einzuwirken, ohne das Pferd in seiner Bewegung zu stören. Doch viele Reiter kämpfen mit typischen Sitzfehlern, die sich – oft unbemerkt – negativ auf die eigene Einwirkung und die Losgelassenheit des Pferdes auswirken. In diesem Artikel erfährst du, welche Sitzfehler es gibt, welche Ursachen sie haben, welche Auswirkungen sie auf das Pferd haben und was wissenschaftliche Studien dazu sagen.

Die häufigsten Sitzfehler beim Reiten
1. Spaltsitz
Beim Spaltsitz rutschen die Oberschenkel des Reiters nach außen und die Unterschenkel nach hinten, während das Becken nach vorne kippt. Dies führt dazu, dass die Sitzbeinhöcker keinen gleichmäßigen Kontakt mehr zum Sattel haben. Die Hilfengebung wird unpräzise, das Pferd kann keine klaren Signale empfangen.
Ursachen:
Verkürzte Hüftbeuger
Fehlende Mobilität in der Hüfte
Falsche Sattelpassform
Folgen:
Blockierte Bewegungsdynamik im Becken
Störende Impulse für das Pferd
Fehlbelastungen im Pferderücken
2. Stuhlsitz
Hierbei schieben sich die Unterschenkel zu weit nach vorn, oft begleitet von einem hinter die Bewegung fallenden Oberkörper. Die Aufrichtung fehlt, das Reitergewicht liegt falsch.
Ursachen:
Sitzgewohnheiten aus dem Alltag (z. B. Schreibtischarbeit)
Schwache Bauch- und Rumpfmuskulatur
Zu tiefer Sattelpunkt
Folgen:
Störung der Vorwärtsbewegung des Pferdes
Erhöhte Belastung der Lendenwirbelsäule beim Pferd
Ungewollte Schenkelhilfen
3. Hinter oder vor die Bewegung kommen
Ein zu früher oder zu später Einsatz des Beckens in der Bewegung des Pferdes, z. B. beim Aussitzen, bringt den Reiter aus dem Takt.
Ursachen:
Mangelndes Bewegungsgefühl
Fehlende Kenntnis über den Bewegungsablauf des Pferdes
Verspannungen oder Ängste
Folgen:
Taktunreinheiten im Gangbild
Fehlkommunikation über die Gewichtshilfen
Störung der Rückenaktivität
4. Leichttraben – zu weit aufstehen
Viele Reiter stehen beim Leichttraben zu hoch auf, was zu einem unnötigen Energieverlust und einem „Sitzen mit Aufprall“ beim Wiedereinsitzen führt. Außerdem gerät man dadurch sehr schnell hinter die Bewegung.
Ursachen:
Fehlende Rumpfkontrolle
Angst vor dem Sitzen im Trab
Unzureichendes Bewusstsein für die Bewegung des Pferdes
Folgen:
Rückenschmerzen beim Pferd durch unsanftes Einsitzen
Schlechte Anlehnung
Verlust des Gleichgewichts
5. Liege-Schiebesitz
Beim Liege-Schiebe-Sitz kippt der Oberkörper zu weit nach hinten, das Becken kann sich nur noch nach vorne oben bewegen, das Gleichgewicht ist gestört. Dadurch drückt der Reiter den Rumpf nach unten in die Rumpfaufhängung. Das Pferd kann den Rumpf nicht mehr physiologisch anheben und läuft "ohne" Rücken. Es kommt zu Tragkraftproblemen.
Ursachen:
Unausgeglichene Rumpfmuskulatur
Kompensation anderer Sitzfehler
Mangelndes Körperbewusstsein
Folgen:
Unklare Gewichtsverlagerung
Unruhe in der Zügelverbindung
Pferd kommt aus der Balance
6. Schiefer Sitz – nach einer Seite kippen
Ein sehr häufiger und oft unterschätzter Sitzfehler ist das schiefe Sitzen. Dabei sitzt der Reiter nicht mittig im Sattel, sondern verlagert sein Gewicht dauerhaft nach links oder rechts. Das Becken kippt, eine Schulter ist tiefer, oder ein Bügel wird unbewusst kürzer getragen. Die Ursache liegt nicht immer im Reiter – auch ein schief gebautes Pferd oder ein asymmetrischer Sattel können zu diesem Problem beitragen.
Ursachen:
Anatomische Asymmetrien beim Reiter (z. B. Beckenschiefstand, Skoliose)
Fehlende Körperwahrnehmung
Schiefe Pferde, die den Reiter „mitziehen“
Einseitige Hilfengebung oder Gewohnheiten (z. B. häufiges Reiten auf einer Hand)
Folgen:
Ungleichmäßige Belastung der Pferderückenmuskulatur
Schwierigkeiten bei der Biegung und Geraderichtung
Widersetzlichkeiten oder Taktfehler beim Pferd
Störungen in der Zügelverbindung auf einer Hand
Studienlage zum Thema schiefer Sitz
In einer Untersuchung der Universität Leipzig wurde festgestellt, dass die meisten Reiter nicht zentriert sitzen, sondern unbewusst ihr Gewicht nach einer Seite verlagern – oft in Folge von Alltagsasymmetrien wie einseitigem Sitzen im Büro oder Auto.
„Selbst minimale seitliche Gewichtsverlagerungen des Reiters verändern das Bewegungsmuster des Pferdes signifikant.“(von Peham et al., 2011, Equine Veterinary Journal)
Eine Studie von Hobbs et al. (2014) zeigt zudem, dass sich Asymmetrien beim Reiter messbar auf die Druckverteilung im Pferdesattel auswirken und langfristig zu einseitigen Muskelverspannungen oder sogar Lahmheiten führen können.
Fazit zum schiefen Sitz
Der schiefe Sitz ist tückisch, da er sich meist langsam und unbemerkt einschleicht – sowohl beim Reiter als auch beim Pferd. Daher ist regelmäßige Sitzkontrolle durch Videoanalyse, Longenstunden oder physiotherapeutisches Reitcoaching unverzichtbar. Auch Beweglichkeitstraining, Gymnastik und Körpertherapie können helfen, dauerhafte Asymmetrien zu korrigieren und die Balance im Sattel zurückzugewinnen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Sitzfehlern
Mehrere Studien haben die biomechanischen Auswirkungen des Reitersitzes auf das Pferd untersucht. Die wichtigste Erkenntnis: Schon kleine Abweichungen im Sitz können deutliche negative Auswirkungen auf die Bewegungsmechanik des Pferdes haben.
Eine Studie von Münz et al. (2014) kam zu dem Schluss, dass eine asymmetrische Sitzposition zu asymmetrischer Belastung des Pferderückens führt und damit langfristig zu muskulären Dysbalancen oder sogar Lahmheiten.
„An improperly balanced rider can cause significant loading asymmetry in the horse’s back, which over time may lead to performance issues or back pain.”(Münz, M. et al., Journal of Equine Veterinary Science, 2014)
Eine Studie der Universität Zürich (Peham et al., 2010) zeigte zudem, dass sich ein unausbalancierter Sitz direkt auf das Stressverhalten und die Rückenmuskulatur des Pferdes auswirkt.
„Horse-rider interaction is greatly influenced by the rider’s seat symmetry and stability. Any shift in balance results in compensatory mechanisms in the horse.”(Peham, C. et al., Veterinary Journal, 2010)
Ursachen beim Reiter – Warum passieren Sitzfehler?
Viele Sitzfehler haben nicht nur reiterliche, sondern auch körperliche und mentale Ursachen:
Körperliche Defizite: Verkürzte oder abgeschwächte Muskelgruppen, mangelnde Mobilität in der Hüfte oder eine schlechte Körperwahrnehmung.
Mentale Faktoren: Angst, Unsicherheit oder übermäßiger Ehrgeiz führen häufig zu Anspannungen.
Fehlende Schulung: Ein Reiter, der nie gelernt hat, seinen Sitz zu kontrollieren, wird Fehler nicht erkennen oder korrigieren können.
Unpassendes Equipment: Ein schlecht passender Sattel oder ein unpassendes Pferd kann den korrekten Sitz unmöglich machen.
Fazit: Sitzfehler erkennen, verstehen und beheben
Sitzfehler sind kein Zeichen von Unvermögen, sondern Hinweise auf Entwicklungsbedarf – körperlich wie mental. Eine fundierte Sitzschulung, körperliches Ausgleichstraining und eine regelmäßige Korrektur durch kompetente Reitlehrer sind die besten Mittel gegen fehlerhafte Bewegungsmuster.
„Der Sitz ist der Schlüssel zur Harmonie. Ein guter Reitersitz ist nicht das Ziel – er ist die Voraussetzung.“(Zitat aus der Reitlehre FN)
Empfehlungen zur Verbesserung:
Sitzschulung an der Longe
Beweglichkeitstraining (z. B. Franklin-Methode, Yoga)
Gleichgewichtstraining auf dem Boden und im Sattel
Videofeedback und Sitzanalyse
Rumpfstabilisation und gezielter Muskelaufbau
Der Sitz: Der Weg zu besserem Reiten
Du willst deine Hilfengebung verbessern und deinem Pferd mehr Leichtigkeit schenken? Dann nimm deinen Sitz unter die Lupe – mit gezieltem Training und einem geschulten Blick lassen sich viele Sitzfehler erkennen und nachhaltig korrigieren.
Sprich mit deinem Reitlehrer, buche eine Sitzanalyse oder beginne mit einem gezielten Ausgleichstraining!


