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Sitzfehler beim Reiten erkennen und korrigieren – Ursachen, Folgen und wissenschaftliche Erkenntnisse

Der Reitersitz ist das Fundament jeder feinen Kommunikation zwischen Mensch und Pferd. Ein ausbalancierter, losgelassener Sitz ermöglicht es dem Reiter, gezielt und feinfühlig einzuwirken, ohne das Pferd in seiner Bewegung zu stören. Doch viele Reiter kämpfen mit typischen Sitzfehlern, die sich – oft unbemerkt – negativ auf die eigene Einwirkung und die Losgelassenheit des Pferdes auswirken. In diesem Artikel erfährst du, welche Sitzfehler es gibt, welche Ursachen sie haben, welche Auswirkungen sie auf das Pferd haben und was wissenschaftliche Studien dazu sagen.


Sitzfehler

Die häufigsten Sitzfehler beim Reiten

1. Spaltsitz

Beim Spaltsitz rutschen die Oberschenkel des Reiters nach außen und die Unterschenkel nach hinten, während das Becken nach vorne kippt. Dies führt dazu, dass die Sitzbeinhöcker keinen gleichmäßigen Kontakt mehr zum Sattel haben. Die Hilfengebung wird unpräzise, das Pferd kann keine klaren Signale empfangen.


Ursachen:

  • Verkürzte Hüftbeuger

  • Fehlende Mobilität in der Hüfte

  • Falsche Sattelpassform

Folgen:

  • Blockierte Bewegungsdynamik im Becken

  • Störende Impulse für das Pferd

  • Fehlbelastungen im Pferderücken


2. Stuhlsitz

Hierbei schieben sich die Unterschenkel zu weit nach vorn, oft begleitet von einem hinter die Bewegung fallenden Oberkörper. Die Aufrichtung fehlt, das Reitergewicht liegt falsch.


Ursachen:

  • Sitzgewohnheiten aus dem Alltag (z. B. Schreibtischarbeit)

  • Schwache Bauch- und Rumpfmuskulatur

  • Zu tiefer Sattelpunkt

Folgen:

  • Störung der Vorwärtsbewegung des Pferdes

  • Erhöhte Belastung der Lendenwirbelsäule beim Pferd

  • Ungewollte Schenkelhilfen


3. Hinter oder vor die Bewegung kommen

Ein zu früher oder zu später Einsatz des Beckens in der Bewegung des Pferdes, z. B. beim Aussitzen, bringt den Reiter aus dem Takt.


Ursachen:

  • Mangelndes Bewegungsgefühl

  • Fehlende Kenntnis über den Bewegungsablauf des Pferdes

  • Verspannungen oder Ängste

Folgen:

  • Taktunreinheiten im Gangbild

  • Fehlkommunikation über die Gewichtshilfen

  • Störung der Rückenaktivität


4. Leichttraben – zu weit aufstehen

Viele Reiter stehen beim Leichttraben zu hoch auf, was zu einem unnötigen Energieverlust und einem „Sitzen mit Aufprall“ beim Wiedereinsitzen führt. Außerdem gerät man dadurch sehr schnell hinter die Bewegung.


Ursachen:

  • Fehlende Rumpfkontrolle

  • Angst vor dem Sitzen im Trab

  • Unzureichendes Bewusstsein für die Bewegung des Pferdes

Folgen:

  • Rückenschmerzen beim Pferd durch unsanftes Einsitzen

  • Schlechte Anlehnung

  • Verlust des Gleichgewichts


5. Liege-Schiebesitz


Beim Liege-Schiebe-Sitz kippt der Oberkörper zu weit nach hinten, das Becken kann sich nur noch nach vorne oben bewegen, das Gleichgewicht ist gestört. Dadurch drückt der Reiter den Rumpf nach unten in die Rumpfaufhängung. Das Pferd kann den Rumpf nicht mehr physiologisch anheben und läuft "ohne" Rücken. Es kommt zu Tragkraftproblemen.


Ursachen:

  • Unausgeglichene Rumpfmuskulatur

  • Kompensation anderer Sitzfehler

  • Mangelndes Körperbewusstsein

Folgen:

  • Unklare Gewichtsverlagerung

  • Unruhe in der Zügelverbindung

  • Pferd kommt aus der Balance


6. Schiefer Sitz – nach einer Seite kippen


Ein sehr häufiger und oft unterschätzter Sitzfehler ist das schiefe Sitzen. Dabei sitzt der Reiter nicht mittig im Sattel, sondern verlagert sein Gewicht dauerhaft nach links oder rechts. Das Becken kippt, eine Schulter ist tiefer, oder ein Bügel wird unbewusst kürzer getragen. Die Ursache liegt nicht immer im Reiter – auch ein schief gebautes Pferd oder ein asymmetrischer Sattel können zu diesem Problem beitragen.


Ursachen:

  • Anatomische Asymmetrien beim Reiter (z. B. Beckenschiefstand, Skoliose)

  • Fehlende Körperwahrnehmung

  • Schiefe Pferde, die den Reiter „mitziehen“

  • Einseitige Hilfengebung oder Gewohnheiten (z. B. häufiges Reiten auf einer Hand)

Folgen:

  • Ungleichmäßige Belastung der Pferderückenmuskulatur

  • Schwierigkeiten bei der Biegung und Geraderichtung

  • Widersetzlichkeiten oder Taktfehler beim Pferd

  • Störungen in der Zügelverbindung auf einer Hand


Studienlage zum Thema schiefer Sitz


In einer Untersuchung der Universität Leipzig wurde festgestellt, dass die meisten Reiter nicht zentriert sitzen, sondern unbewusst ihr Gewicht nach einer Seite verlagern – oft in Folge von Alltagsasymmetrien wie einseitigem Sitzen im Büro oder Auto.

„Selbst minimale seitliche Gewichtsverlagerungen des Reiters verändern das Bewegungsmuster des Pferdes signifikant.“(von Peham et al., 2011, Equine Veterinary Journal)

Eine Studie von Hobbs et al. (2014) zeigt zudem, dass sich Asymmetrien beim Reiter messbar auf die Druckverteilung im Pferdesattel auswirken und langfristig zu einseitigen Muskelverspannungen oder sogar Lahmheiten führen können.


Fazit zum schiefen Sitz


Der schiefe Sitz ist tückisch, da er sich meist langsam und unbemerkt einschleicht – sowohl beim Reiter als auch beim Pferd. Daher ist regelmäßige Sitzkontrolle durch Videoanalyse, Longenstunden oder physiotherapeutisches Reitcoaching unverzichtbar. Auch Beweglichkeitstraining, Gymnastik und Körpertherapie können helfen, dauerhafte Asymmetrien zu korrigieren und die Balance im Sattel zurückzugewinnen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Sitzfehlern


Mehrere Studien haben die biomechanischen Auswirkungen des Reitersitzes auf das Pferd untersucht. Die wichtigste Erkenntnis: Schon kleine Abweichungen im Sitz können deutliche negative Auswirkungen auf die Bewegungsmechanik des Pferdes haben.

Eine Studie von Münz et al. (2014) kam zu dem Schluss, dass eine asymmetrische Sitzposition zu asymmetrischer Belastung des Pferderückens führt und damit langfristig zu muskulären Dysbalancen oder sogar Lahmheiten.

„An improperly balanced rider can cause significant loading asymmetry in the horse’s back, which over time may lead to performance issues or back pain.”(Münz, M. et al., Journal of Equine Veterinary Science, 2014)

Eine Studie der Universität Zürich (Peham et al., 2010) zeigte zudem, dass sich ein unausbalancierter Sitz direkt auf das Stressverhalten und die Rückenmuskulatur des Pferdes auswirkt.

„Horse-rider interaction is greatly influenced by the rider’s seat symmetry and stability. Any shift in balance results in compensatory mechanisms in the horse.”(Peham, C. et al., Veterinary Journal, 2010)

Ursachen beim Reiter – Warum passieren Sitzfehler?


Viele Sitzfehler haben nicht nur reiterliche, sondern auch körperliche und mentale Ursachen:


  • Körperliche Defizite: Verkürzte oder abgeschwächte Muskelgruppen, mangelnde Mobilität in der Hüfte oder eine schlechte Körperwahrnehmung.

  • Mentale Faktoren: Angst, Unsicherheit oder übermäßiger Ehrgeiz führen häufig zu Anspannungen.

  • Fehlende Schulung: Ein Reiter, der nie gelernt hat, seinen Sitz zu kontrollieren, wird Fehler nicht erkennen oder korrigieren können.

  • Unpassendes Equipment: Ein schlecht passender Sattel oder ein unpassendes Pferd kann den korrekten Sitz unmöglich machen.


Fazit: Sitzfehler erkennen, verstehen und beheben


Sitzfehler sind kein Zeichen von Unvermögen, sondern Hinweise auf Entwicklungsbedarf – körperlich wie mental. Eine fundierte Sitzschulung, körperliches Ausgleichstraining und eine regelmäßige Korrektur durch kompetente Reitlehrer sind die besten Mittel gegen fehlerhafte Bewegungsmuster.

„Der Sitz ist der Schlüssel zur Harmonie. Ein guter Reitersitz ist nicht das Ziel – er ist die Voraussetzung.“(Zitat aus der Reitlehre FN)

Empfehlungen zur Verbesserung:


  • Sitzschulung an der Longe

  • Beweglichkeitstraining (z. B. Franklin-Methode, Yoga)

  • Gleichgewichtstraining auf dem Boden und im Sattel

  • Videofeedback und Sitzanalyse

  • Rumpfstabilisation und gezielter Muskelaufbau


Der Sitz: Der Weg zu besserem Reiten

Du willst deine Hilfengebung verbessern und deinem Pferd mehr Leichtigkeit schenken? Dann nimm deinen Sitz unter die Lupe – mit gezieltem Training und einem geschulten Blick lassen sich viele Sitzfehler erkennen und nachhaltig korrigieren.


Sprich mit deinem Reitlehrer, buche eine Sitzanalyse oder beginne mit einem gezielten Ausgleichstraining!




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