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Stoffwechselerkrankungen beim Pferd – Wenn Haltung krank macht

Warum sie zunehmen, welche es gibt – und wie du vorbeugen kannst


Zivilisationskrankheiten im Pferdestall?


Immer häufiger kämpfen Pferde mit sogenannten Stoffwechselerkrankungen – ein Begriff, der schnell in aller Munde ist, aber oft unklar bleibt. Was bedeutet das überhaupt? Und warum scheinen diese Erkrankungen heute so viel häufiger aufzutreten als noch vor einigen Jahrzehnten?


Die kurze Antwort: Unsere moderne Pferdehaltung steht dem natürlichen Bedarf von Pferden in vielen Bereichen entgegen. Das betrifft vor allem Fütterung, Bewegung und Management. Die Folgen können gravierend sein – von EMS (Equines Metabolisches Syndrom) bis hin zu Hufrehe.


Stallgasse

Was sind Stoffwechselerkrankungen beim Pferd?


Der Stoffwechsel (Metabolismus) umfasst alle biochemischen Prozesse, die im Körper ablaufen – vom Abbau und der Verwertung von Nährstoffen bis zur Energiegewinnung und Hormonregulation. Gerät dieses fein abgestimmte System aus dem Gleichgewicht, kann das schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.


Typische Stoffwechselerkrankungen beim Pferd sind:


  • EMS (Equines Metabolisches Syndrom): Gekennzeichnet durch Übergewicht, Fettverteilungsstörungen (z. B. Fettdepots am Mähnenkamm), Insulinresistenz – ein Vorläufer für Hufrehe.

  • Hufrehe: Eine hochgradig schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, oft ausgelöst durch Fütterungsfehler (z. B. zu viel Fruktan im Gras), Übergewicht oder EMS.

  • PPID (Cushing-Syndrom): Eine hormonelle Erkrankung älterer Pferde, die mit Fellveränderungen, Muskelschwund, vermehrtem Trinken/Urinieren und einer erhöhten Rehegefahr einhergeht.

  • Insulinresistenz/Hyperinsulinämie: Die Zellen reagieren nicht mehr richtig auf das Hormon Insulin – der Blutzuckerspiegel bleibt dauerhaft erhöht. Dies ist oft ein Frühstadium von EMS oder Cushing.


Warum nehmen diese Erkrankungen zu?


1. Bewegungsmangel In freier Wildbahn legen Pferde bis zu 30 km täglich zurück – im Offenstall sind es oft nur wenige hundert Meter, in Boxenhaltung noch weniger. Bewegung hat aber einen zentralen Einfluss auf den Zuckerstoffwechsel und die Insulinsensitivität.


2. Fehler in der Fütterung Moderne Pferde bekommen oft zu viel Energie bei zu wenig Bewegung: Kraftfutter, zu energiereiches Heu, ständig frisches Gras. Hinzu kommt oft eine unzureichende Versorgung mit Mikronährstoffen, die essenziell für einen gesunden Stoffwechsel sind.


3. Genetische Faktoren und Zuchtziele Bestimmte Rassen (z. B. Isländer, Shettys, Tinker, Haflinger) haben eine genetisch bedingte Neigung zu einem „Sparstoffwechsel“ – was unter modernen Haltungsbedingungen schnell problematisch wird.


4. Chronischer Stress Ob durch soziale Isolation, ungünstige Haltungsbedingungen oder Reizüberflutung: Dauerstress verändert den Hormonhaushalt und kann Stoffwechselprozesse empfindlich stören.


Vorbeugung – was du tun kannst:


🔹 Haltung optimieren: So viel freie Bewegung wie möglich – Offenstall oder Paddock Trail statt Boxenhaltung. Die Bewegung regt nicht nur den Stoffwechsel an, sondern auch den Lymphfluss, die Muskulatur und den Hufmechanismus.


🔹 Fütterung anpassen:

  • Heu ad libitum, aber strukturreich und energiearm (z. B. Spätschnittheu)

  • Kein oder nur sehr kontrollierter Weidegang bei rehegefährdeten Pferden

  • Kein unnötiges Kraftfutter

  • Mineralstoffe gezielt ergänzen, nach Analyse


🔹 Gewichtskontrolle: Regelmäßiges Wiegen oder Maßbandkontrolle ist wichtig – auch kleine Gewichtszunahmen können langfristig riskant sein.


🔹 Stress vermeiden: Pferde brauchen ein stabiles soziales Umfeld, klare Strukturen, Sicherheit – all das hilft dem gesamten Organismus, im Gleichgewicht zu bleiben.


Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse


Die Zunahme von Stoffwechselerkrankungen beim Pferd ist durch zahlreiche Studien belegt. Eine Studie der Uni Leipzig (2018) zeigte z. B., dass über 40 % der untersuchten Pferde übergewichtig waren – mit deutlichen Korrelationen zu Insulinresistenz.


Auch die Equine Endocrinology Group (EEG) hat Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von EMS und PPID veröffentlicht, die regelmäßig aktualisiert werden. Studien zeigen, dass gezielte Diät und Training bei insulinresistenten Pferden die Werte signifikant verbessern können (z. B. Frank et al., 2010; Durham et al., 2019).


Fazit


Stoffwechselerkrankungen beim Pferd sind keine Zufälle – sie sind oft die Folge eines Lebensstils, der nicht zur Natur des Pferdes passt. Die gute Nachricht: Mit Wissen, Aufmerksamkeit und konsequenter Haltung lässt sich viel tun, um die Gesundheit deines Pferdes zu erhalten.


Wer rechtzeitig gegensteuert, muss keine Hufrehe fürchten. Aber es braucht ein Umdenken – weg vom reinen Management, hin zu mehr Verständnis für die biologischen Bedürfnisse unserer Pferde.

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