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Wann ist der Reiter zu schwer für das Pferd?

Die Frage, ob ein Reiter „zu schwer“ für sein Pferd ist, wird oft emotional diskutiert – dabei ist sie von zentraler Bedeutung für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Pferdes.


schwere Reiterin

Doch nicht nur das Körpergewicht des Reiters spielt eine Rolle. Auch Können, Sitz, Dauer und Art der Belastung müssen in die Beurteilung einbezogen werden. In diesem Artikel betrachten wir das Thema faktenbasiert – inklusive Studienlage und praxisnaher Einordnung.


Das reine Körpergewicht: Gibt es eine Obergrenze?


Eine weit verbreitete Faustregel besagt:

👉 Ein Reiter sollte nicht mehr als 15–20 % des Körpergewichts seines Pferdes wiegen.


Beispielrechnung:

Ein Pferd wiegt 500 kg.→ 15 % davon wären 75 kg, 20 % = 100 kg.

Doch diese Regel ist vereinfachend und berücksichtigt viele wichtige Faktoren nicht. Dennoch: In Studien zeigt sich, dass ab etwa 20 % Reitergewicht im Verhältnis zum Pferd deutlich messbare Belastungsreaktionen auftreten.


Studienlage: Was zeigen wissenschaftliche Untersuchungen?


1. M. Peham & Co. (2004): Druckmessung unterm Sattel

In dieser Studie wurde festgestellt, dass der Sitz des Reiters entscheidender ist als sein Gewicht. Ein schwerer Reiter mit balanciertem Sitz verursacht weniger Druckspitzen als ein leichter Reiter mit schlechtem Gleichgewicht.


2. Brittany H. Martin et al. (2016): Physiologische Reaktionen auf Reitergewicht

In einer kontrollierten Studie mit Islandpferden zeigte sich, dass ab 20–25 % Reitergewicht (bezogen auf das Pferdegewicht) Herzfrequenz, Atmung und Muskelaktivität signifikant anstiegen. Auch die Bewegungsdynamik wurde negativ beeinflusst.


3. Uta König von Borstel (2020): Videogestützte Analysen

Die Kombination aus hohem Reitergewicht und schlechter Reittechnik führt laut ihrer Auswertung am häufigsten zu Rückenverspannungen und Taktunreinheiten.


Der Sitz macht den Unterschied


Ein ausbalancierter, losgelassener Sitz verteilt das Reitergewicht gleichmäßiger über den Pferderücken und hilft dem Pferd, seinen Rumpf aktiv zu tragen.Ein unausbalancierter Sitz (z. B. "klammern", nach vorne kippen, zu hartes Einsitzen) verstärkt punktuelle Belastung und stört die Bewegungsdynamik – unabhängig vom tatsächlichen Gewicht.


Dauer & Intensität: Auch wichtig!


Ob ein Reiter "zu schwer" ist, hängt auch von der Dauer und Intensität der Belastung ab:

  • 5 Minuten Schritt mit einem schweren Reiter mag unproblematisch sein,

  • 45 Minuten Galopp & Springen mit demselben Reiter kann das Pferd überfordern.


Wichtig ist, nicht nur das Gewicht, sondern auch die Trainingsgestaltung in die Beurteilung einzubeziehen.


Was wird geritten?

Auch die Art der Arbeit macht einen Unterschied:

  • Gelassenes Ausreiten im Schritt auf geradem Boden ist weniger belastend

  • Dressur mit viel Versammlung, Seitengängen oder Galopparbeit beansprucht Rücken und Gelenke mehr

  • Springen oder schnelles Gelände erfordert deutlich mehr Kraft, Koordination und Tragfähigkeit


Weitere Einflussfaktoren

1. Körperbau des Pferdes

  • Pferde mit kurzem Rücken, guter Bemuskelung und stabilen Gelenken können mehr tragen als lange, weiche Typen mit schwacher Oberlinie.

2. Gesundheitszustand

  • Pferde mit Rückenproblemen, Trageschwäche oder früheren Lahmheiten sollten besonders vorsichtig geritten werden – unabhängig vom Reitergewicht.

3. Ausrüstung & Hufzustand

  • Ein passender Sattel und gut gepflegte Hufe helfen, die Belastung gleichmäßig zu verteilen.


Fazit: Nicht nur das Gewicht zählt – sondern das Gesamtbild


Die Frage, ob ein Reiter zu schwer für sein Pferd ist, lässt sich nicht pauschal mit einer Zahl beantworten. Viel wichtiger ist die Kombination aus:


  • Verhältnis von Reiter- zu Pferdegewicht

  • Reiterliches Können und Sitzqualität

  • Dauer und Intensität der Belastung

  • Körperbau und Trainingszustand des Pferdes

  • Passende Ausrüstung und Hufgesundheit


Verantwortungsvolles Reiten bedeutet, all diese Faktoren im Blick zu behalten – und das Pferd ehrlich einzuschätzen. 


Wer unsicher ist, sollte sich nicht scheuen, Experten wie Tierärzte, Trainer oder Sattler zur Beurteilung hinzuzuziehen.



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