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Warum Reiten so viel mit Gefühl zu tun hat

Viele Reiter glauben anfangs, Reiten sei vor allem Technik. Die richtige Zügellänge, der exakte Sitz, das punktgenaue Einsetzen der Hilfen – all das scheint auf den ersten Blick das A und O zu sein. Doch wer länger reitet und sich ernsthaft mit dem Wesen des Pferdes auseinandersetzt, merkt schnell: Technik allein reicht nicht. Denn Reiten ist in erster Linie kein Sport der äußeren Form, sondern ein feines, inneres Zusammenspiel von Gefühl – auf beiden Seiten.


aufmerksames Pferd

Technik ist wichtig – aber nicht alles


Natürlich ist Technik im Reitsport nicht unwichtig. Ein balancierter Sitz, korrekte Einwirkung und klare Hilfen sind Grundlagen, die man lernen und üben muss. Aber Technik ist nur das Werkzeug. Das Entscheidende ist, wie und wann man es einsetzt – und das hängt unmittelbar mit den inneren Zuständen von Reiter und Pferd zusammen.


Gefühl beeinflusst Bewegung – beim Reiter ...


Ein Beispiel: Ein Reiter hat Angst. Vielleicht unbewusst. Diese Angst lässt ihn innerlich anspannen, der Atem wird flach, die Muskulatur zieht sich zusammen, der Sitz wird steif, die Zügel fest. Für das Pferd fühlt sich das an wie ein Alarmsignal. Es wird unruhig, hebt den Kopf, drückt den Rücken weg oder wird hektisch. Kein Techniktraining der Welt kann in diesem Moment helfen – wenn das Gefühl nicht stimmt.


... und beim Pferd


Pferde sind Meister darin, feinste emotionale Schwingungen aufzunehmen. Sie spüren, ob der Mensch auf ihrem Rücken klar, ruhig und präsent ist – oder nervös, angespannt und abwesend. Selbst eine kleine Erhöhung des Pulses, eine minimale Veränderung im Atemrhythmus oder ein Hauch von Anspannung überträgt sich direkt aufs Pferd. Sie nehmen diese Signale oft viel früher wahr, als wir selbst es überhaupt registrieren.


Reiten ist Beziehung – nicht Befehl


Ein guter Reiter nimmt wahr, was im Pferd passiert – lange bevor man es von außen sieht. Er spürt, ob sich Spannung aufbaut, ob das Pferd sich unsicher fühlt oder sich innerlich verweigert. Und er reagiert nicht mit Druck oder Kontrolle, sondern mit Gefühl: durchatmen, loslassen, weich werden, Vertrauen schaffen.


Dieses „Fühlen“ ist keine esoterische Idee, sondern ein feines Zusammenspiel aus Wahrnehmung, Körperbewusstsein und Beziehung. Reiten ist also weniger eine Frage der Kontrolle, sondern der Verbindung.


Gefühlsmanagement – die eigentliche Reitkunst


Gutes Reiten bedeutet, die eigenen Gefühle zu erkennen und bewusst zu regulieren – und gleichzeitig die emotionalen Zustände des Pferdes zu erspüren und auszugleichen. Das ist ein ständiger, wechselseitiger Prozess. Der Reiter führt nicht einfach nur – er hört zu, antwortet, beruhigt, klärt, bestärkt. All das geschieht meist auf einer Ebene, die man nicht sehen, sondern nur fühlen kann.


Wer das versteht, erkennt auch, warum mechanisches Reiten oft scheitert. Ein Pferd lässt sich nicht „korrekt“ reiten, wenn es innerlich im Widerstand ist – genauso wenig wie ein Mensch effektiv kommunizieren kann, wenn er sich nicht wahrgenommen fühlt.


Fazit: Reiten beginnt im Inneren


Reiten ist viel mehr als das Erlernen von Techniken – es ist das Entwickeln eines inneren Gespürs für sich selbst und das Pferd. Es geht darum, emotionale Zustände zu regulieren, feine Signale wahrzunehmen und in einen echten Dialog zu treten. Die besten Reiter sind nicht die technisch perfektesten – sondern die, die fühlen können.

Und genau das macht Reiten so besonders – und so tief erfüllend.



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