Was der Kothaufen verrät – Warum Pferde in fremder Hinterlassenschaft lesen wie in der Zeitung
- sabinelagies
- 24. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juni
Wer mit seinem Pferd regelmäßig im Gelände unterwegs ist, kennt die Szene: Da liegt ein Kothaufen auf dem Weg – und plötzlich wird Dein Pferd langsamer, senkt den Kopf und schnüffelt ausgiebig. Vielleicht dreht es den Kopf ein wenig zur Seite, bläht die Nüstern und scheint für einen Moment völlig in eine andere Welt abzutauchen. Für uns Menschen ist es "nur" ein Haufen Pferdeäpfel – für das Pferd ist es ein wahres Informationszentrum.

Die Nase als Kommunikationskanal
Pferde kommunizieren nicht nur über Körpersprache und Lautäußerungen, sondern auch über Duftstoffe. Ihre Nase ist dabei hochsensibel – viel empfindlicher als die des Menschen. Im Kot anderer Pferde stecken unzählige Informationen: Alter, Geschlecht, Rang, Gesundheitszustand, Fortpflanzungsstatus und sogar individuelle Identität lassen sich erschnüffeln. Für ein Pferd ist das nicht weniger spannend als für uns das Lesen der Nachrichten.
Beim Beschnüffeln eines fremden Kothaufens checkt das Pferd im Prinzip:
War hier ein Hengst oder eine Stute?
Ist das andere Tier gesund oder krank?
Ist es ranghoch oder rangniedrig?
Kenne ich dieses Pferd vielleicht sogar?
Ein Pferd, das unterwegs anhält und schnuppert, ist also nicht „bockig“ oder „störrisch“, sondern ganz bei sich – und hochinteressiert an der Welt um sich herum. Es ist Teil seines natürlichen Erkundungsverhaltens.
Der Haufen als Visitenkarte: Markierverhalten bei Hengsten
Wer Hengste hält, weiß: Manche Pferde bauen regelrechte Kot-Türme. Sie äppeln immer wieder an dieselbe Stelle – oft genau da, wo auch andere Hengste oder Wallache ihre Haufen platziert haben. Dieses Verhalten ist territoriale Markierung und zugleich soziale Kommunikation.
In freier Wildbahn legen Hengste sogenannte Markierhaufen an, um ihre Präsenz zu signalisieren. Diese Haufen sagen sinngemäß: „Ich bin hier, das ist mein Bereich.“ Andere Pferde riechen das – und wissen Bescheid. Auch rangniedrigere Tiere können sich über ihren Kot „einordnen“, indem sie bewusst unterhalb des Turms abäpfeln. In Hengstgruppen ist das ein wichtiger Mechanismus zur Konfliktvermeidung.
Warum das Wissen darüber wichtig ist
Viele Reiterinnen und Reiter empfinden es als lästig, wenn ihr Pferd beim Ausritt jeden Haufen „lesen“ möchte. Doch es lohnt sich, hier Geduld zu zeigen. Denn:
Es ist kein Ungehorsam, sondern natürliches Verhalten.
Das Pferd nutzt seine Sinne, um sich zu orientieren.
Es zeigt Interesse an seiner Umwelt, was auf psychische Ausgeglichenheit hinweist.
Natürlich muss man das Schnüffeln in einem sicheren Rahmen halten – bei hohem Tempo auf der Straße ist es fehl am Platz. Aber auf ruhigen Wegen ist es sinnvoll, dem Pferd die Möglichkeit zu geben, in seiner Welt zu lesen.
Kot als Teil der sozialen Ordnung
Auch innerhalb einer Herde ist das Kotverhalten nicht zufällig: Häufig gibt es „gemeinsame Äppelplätze“. Diese dienen nicht nur der Hygiene, sondern auch der sozialen Kommunikation. Jungpferde beobachten oft, wo die älteren Tiere koten – und machen es ihnen nach.
In neuen Herden kann man gut beobachten, wie die Pferde die Haufen der anderen beschnüffeln, bevor sie sich selbst entleeren. Das dient dem Kennenlernen und der sozialen Integration.
Fazit: Pferde lesen, was andere hinterlassen
Was für uns unappetitlich erscheint, ist für Pferde ein wichtiger Informationskanal. Der Kothaufen ist kein Dreck, sondern Datenträger. Wer sein Pferd besser verstehen will, sollte ihm das Lesen dieser "Nachrichten" nicht verwehren – denn sie gehören zur natürlichen Kommunikation der Tiere.
Vielleicht hilft der nächste Ausritt ja, diesen natürlichen Instinkt mit neuen Augen zu sehen – und dem Pferd mit mehr Verständnis und Geduld zu begegnen.


