Welche Barhufbearbeitung für mein Pferd? – Ein kritischer Blick auf Methoden, Mythen und das Wesentliche
- sabinelagies
- 22. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Barhufpflege liegt im Trend – und das aus gutem Grund. Immer mehr Pferdebesitzer entscheiden sich bewusst gegen Beschläge, um ihren Pferden ein möglichst natürliches Bewegungs- und Hufverhalten zu ermöglichen. Doch „barhuf“ ist nicht gleich „gut“. Denn zwischen den verschiedenen Methoden und Philosophien verliert man leicht den Überblick. Was davon ist wirklich sinnvoll? Und welche Bearbeitung passt zu welchem Pferd?

In diesem Artikel werfen wir einen kritischen Blick auf gängige Barhufmethoden, ihre Stärken, ihre Grenzen – und auf das, was am Ende wirklich zählt: die individuelle, biomechanisch korrekte Bearbeitung, abgestimmt auf das Pferd und seine Nutzung.
Der Huf – mehr als nur Horn
Der Huf ist ein hochkomplexes, lebendiges Konstrukt. Er ist stoßdämpfend, durchblutet, ständig im Umbau (passend zur Belastung) – und ein Schlüssel zur Gesundheit des gesamten Pferdes. Fehlstellungen, unpassende Bearbeitung oder Vernachlässigung wirken sich nicht nur auf die Gliedmaßen, sondern auch auf Rücken, Muskulatur und Verhalten aus.
Deshalb ist es umso wichtiger, nicht nur „nach Methode“, sondern nach Funktion und Anatomie zu arbeiten.
Ein Überblick über gängige Barhufmethoden
Biernat-Methode
Jochen Biernat hatte einst eine einfach Idde: „Keep it simple“ – Verstehe den Huf und steuere den Abrieb. Die Methode arbeitet mit der natürlichen Abnutzung und setzt auf auf die Steuerung durch kleine Bearbeitungen am Huf.
Vorteile:
Gut nachvollziehbar, wenn man das System verstanden hat
Der Huf passt immer zum Pferd und seinem Bewegungsverhalten, da es ihn selbst "herstellt"
Keine plötzlichen Statikveränderungen durch Hornwegnahme
Gut geeignet für Pferde mit viel Bewegung auf abrasivem Untergrund
Kritik:
Funktioniert nur dann, wenn das Pferd in einer Umgebung lebt, die den notwendigen Abrieb tatsächlich liefert (z. B. Paddock-Trails mit Kies, Bewegung, Reiten auf Naturboden). In weichen Offenställen mit Sandboden kann es schnell zu Überlängen und/oder schiefen Hufen kommen.
Und: Jochen Biernat ist mittlerweile verstorben. Zwei Nachfolgeorganisationen streiten um das "richtige" Erbe und sind beide mittlerweile weit weg von dem, was er einst konzipierte.
Wildpferdehuf-Konzepte (z. B. nach Strasser, HGM, NHC)
Philosophie:
Die Natur weiß es am besten. Das Ziel ist, den Huf so zu bearbeiten, wie er sich bei Wildpferden in freier Natur entwickeln würde.
Vorteile:
Betonung auf Selbstheilung, Durchblutung und Funktion
Ganzheitlicher Ansatz
Inspiration durch tatsächliche Überlebensstrategien von Wildpferden
Kritik:
Der Begriff „Wildpferdehuf“ ist irreführend – denn welcher soll es denn sein? Ein Camargue-Pferd lebt in sumpfigem, nassem Gelände – breite, flache Hufe mit wenig Abrieb.Ein Namibpferd hingegen lebt auf hartem, gerölligem Boden – kleine, kompakte, abgeriebene Hufe. Beide Hufe sind Anpassungen an die Umwelt, keine universellen Idealhufe. Sie können nicht einfach auf Hauspferde mit Boxenhaltung oder Sandpaddock übertragen werden.
Kombinierte/individuelle Methoden (z. B. nach KC La Pierre, Ramey, Huforthopädie nach Barhufinstitut, LTZ)
Philosophie:
Der Huf wird individuell analysiert und bearbeitet, mit Blick auf Statik, Bewegung und Nutzung. Es gibt keine „Form X“, sondern das Ziel ist Funktion.
Vorteile:
Umfassender Blick auf das Pferd
Berücksichtigung von Gangbild, Haltung, Nutzung, Reitweise
Meist fundiert ausgebildete Fachleute
Kritik:
Hier steht und fällt alles mit dem Können und der Erfahrung des Bearbeiters. Gut gemacht, können solche Konzepte viel bewirken – schlecht gemacht, ebenso viel Schaden anrichten.
Unverzichtbar bei allen Methoden: Die Analyse
Was oft vergessen wird: Vor jeder Bearbeitung muss eine Diagnose stehen.
Wie bewegt sich das Pferd?
Wie belastet es die Hufe?
Gibt es Stellungsfehler, Blockaden, Taktunreinheiten?
Wie sieht der Hufmechanismus in der Bewegung aus?
Wird das Pferd geritten – wenn ja, wie und auf welchem Untergrund?
Ganganalyse und gegebenenfalls auch eine Reitanalyse sind daher unerlässlich. Nur so lässt sich beurteilen, ob z. B. die unterschiedliche Höhe der Seitenwände des Hufes oder die Aufrichtung des Hufbeins verändert werden muss.
Ebenso wichtig: Eine Nachkontrolle nach der Bearbeitung. Denn der Huf lebt – und reagiert auf jede Veränderung.
Fazit: Es gibt keine perfekte Methode – nur passende Lösungen
Die beste Barhufbearbeitung ist nicht die „nach XY“, sondern die, die zum Pferd, seinem Einsatz, seiner Haltung und seinem Gangbild passt.Das bedeutet in der Praxis:
Kein stures Festhalten an Dogmen („Der Huf muss so aussehen“)
Kein blinder Glaube an Wildpferde als Idealbilder
Kein „Schneiden nach Schema“, ohne das Pferd vorher wirklich zu kennen
Biomechanisch korrekte Bearbeitung bedeutet, den Huf so zu formen, dass er das Pferd funktional, gesund und schmerzfrei trägt – in seinem Alltag. Das kann bei einem Wanderrittpferd ganz anders aussehen als bei einem Reitpony im Offenstall oder einem Westernpferd im Sport.
Und: Die Qualität der Bearbeitung steht und fällt mit dem Wissen und der Erfahrung des Bearbeiters.
Tipp für Pferdebesitzer:
Stelle deinem Hufbearbeiter Fragen. Lass dir erklären, warum er etwas tut. Bestehe auf den Ganganalysen vorher und nachher, sei offen für Veränderungen – und beobachte dein Pferd genau.
Denn letztlich ist der beste Huf der, auf dem dein Pferd gerne und gesund geht. Ganz gleich, wie er heißt.


