top of page

Westernreiten im Turniersport – Wenn die Show zur Belastung wird

Westernreiten – das klingt nach Weite, Freiheit, feinen Hilfen und harmonischer Kommunikation mit dem Pferd. Ursprünglich war es genau das: eine Arbeitsreitweise für Cowboys, die stundenlang im Sattel saßen, auf ein verlässliches, gesundes und ausdauerndes Pferd angewiesen waren. Heute allerdings hat sich vor allem im Turniersport ein Bild etabliert, das mit diesen Ursprüngen oft nur noch wenig zu tun hat. Höchste Zeit, einen kritischen Blick auf die Auswüchse der modernen Western-Turnierszene zu werfen.


Cowboy

Sliding Stop, Spin & Co – Was war das eigentlich mal?


Viele der spektakulären Manöver, die heute auf Reining-Turnieren gezeigt werden, stammen aus dem Alltag der Ranch-Arbeit. Der Sliding Stop zum Beispiel war früher ein funktionales Element: Wenn ein Rind plötzlich kehrt macht, muss das Pferd blitzschnell anhalten – auch auf rutschigem Untergrund. Pferde, die von Natur aus hinten weich aufkommen und gut untertreten konnten, waren dafür prädestiniert.


Heute dagegen wird dieser Stop auf festen Hallenböden zelebriert – mit Spezialbeschlägen, maximaler Geschwindigkeit und oft kompletter Ausblendung des gesundheitlichen Risikos für das Pferd. Die Gelenke der Hinterhand, insbesondere Sprunggelenke, Knie und Hufrollenbereich, sind extremen Kräften ausgesetzt.

Studien zeigen, dass gerade Reining-Pferde eine signifikant erhöhte Belastung im hinteren Bewegungsapparat aufweisen – insbesondere die Sprunggelenke sind gefährdet (Uhlir et al., 2018, Equine Veterinary Journal).

Muskelpaket trifft Streichholzbein – fragwürdige Zuchtziele


Die Zucht moderner Westernpferde, insbesondere im Quarter Horse-Bereich, orientiert sich heute stark an bestimmten Körpertypen:

  • Extrem muskulöse Hinterhand, oft überzeichnet

  • Feiner, kleiner Kopf

  • Sehr kurze, schmale Gliedmaßen, vor allem im Röhrbeinbereich

  • Tiefer, kurzer Hals – ideal fürs „Low Head Carriage“


Das Ergebnis: Pferde, die optisch perfekt ins Show-Bild passen – aber biomechanisch oft problematisch sind. Eine derartige Masse auf zarten, unterdimensionierten Gliedmaßen führt zu Überlastungsschäden, Sehnenschäden, Hufproblemen und Haltungsschwächen. Die Lebenserwartung als aktives Reitpferd ist häufig erschreckend kurz.

Ein typischer Spruch aus der Szene: „Sieh dir mal den Motor an – und die kleinen Stoßdämpfer.“Nur: Kein Auto würde man mit solchen Proportionen guten Gewissens fahren.

Ist Western-Turnierreiten wirklich „besser“?


Es gibt eine weit verbreitete Annahme: „Im Westernreiten geht es feiner zu, pferdefreundlicher, ohne Zwang.“ Und ja – in der Theorie stimmt das. Die Ideale der alten Westernreitweise setzen auf Selbsthaltung, feine Kommunikation und einen lockeren, natürlichen Bewegungsfluss - wie übrigens auch die klassische Reitkunst.


Doch die Realität auf Turnieren zeigt oft ein anderes Bild:

  • Pferde mit hinter der Senkrechten fixiertem Kopf, dauerhaft tief und eng

  • Dauerhaftes Sporenreiben, um den berühmten „Low Energy Look“ zu provozieren

  • Tail Blocking (Nervenspritze in den Schweif), um Unmut zu kaschieren

  • Künstlich verlangsamte Gänge, weit jenseits physiologischer Bewegung

  • Zwang durch Mechanikgebisse, auch wenn sie „sanft“ aussehen


Die Unterschiede zur Turnier-Dressur der „englischen“ Reitweise schrumpfen – nur das äußere Erscheinungsbild ist anders. Der Druck, in einem Showbild zu funktionieren, ist jedoch ähnlich hoch.


Was müsste sich ändern?


Eine moderne, faire Westernreiterei muss zurück zu ihren Ursprüngen – zu einem Reiten, das:

  • funktional ist statt nur ästhetisch

  • pferdegerecht trainiert, statt mit Zwang zu manipulieren

  • Zucht auf gesunde Proportionen ausrichtet

  • Leistungsanforderungen reduziert, die biomechanisch schädlich sind

  • den individuellen Ausdruck des Pferdes zulässt, statt Uniformität zu erzwingen


Außerdem braucht es ein kritisches Regelwerk – mit klaren Grenzen für Showelemente, wie sie etwa bei Sliding Stops oder Tail Blocking längst überfällig wären.


Die Zukunft des Westernreitens sollte im Working Horse liegen – einem gesunden, durchlässigen, motivierten Pferd, das gerne mitarbeitet und mitdenkt. Nicht in einem Show-Athleten, der für den Moment glänzt und danach zum Tierarzt muss.


Fazit


Westernreiten hat großartige Wurzeln – funktional, fein, pferdefreundlich. Doch im modernen Turniergeschehen wird diese Reitweise leider oft pervertiert. Statt echter Partnerschaft sieht man Mechanik, Zwang und Körperideale, die weder dem Pferd noch seinem Wohlergehen dienen.


Ob englisch oder western – echte Reitkunst erkennt man nicht an der Zäumung oder dem Hut des Reiters, sondern daran, wie sehr das Pferd gesehen, respektiert und gesund erhalten wird.

Weniger Show. Mehr Pferd. Das wäre eine Zukunft, die dem Westernreiten wirklich gerecht wird.

bottom of page