Wie passt man einen Sattel richtig an? – So sitzt er wirklich gut
- sabinelagies
- 3. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Der Sattel ist das verbindende Element zwischen Reiter und Pferd. Wenn er nicht passt, entstehen nicht nur Druckstellen – sondern Schmerzen, Blockaden, Verspannungen und langfristig sogar Schäden am Bewegungsapparat des Pferdes. Trotzdem wird das Thema oft unterschätzt. Doch wie passt man einen Sattel wirklich korrekt an? Welche Punkte müssen beachtet werden, damit das Pferd gesund und locker laufen kann – und der Reiter sicher und balanciert sitzt?

1. Die Sattellage – wo darf der Sattel überhaupt liegen?
Die korrekte Sattellage ist der Bereich des Rückens, der am stabilsten ist – also dort, wo die Brustwirbelsäule über die Rippen mit dem Brustbein verbunden ist. Sie beginnt hinter der Schulterblattkante und endet etwa auf Höhe des letzten Rippenbogens.
Ein häufiger Fehler: Der Sattel liegt zu weit vorne und klemmt auf dem Schulterblatt oder drückt auf das Schulterdach. Das schränkt die Bewegung massiv ein und führt zu Verspannungen oder Lahmheiten.
🔍 Merksatz: Der Sattel darf nicht auf der Schulter „mitreiten“ – sondern muss frei dahinter liegen.
2. Schulterfreiheit – warum sie so entscheidend ist
Das Schulterblatt des Pferdes muss sich beim Laufen frei vor und zurück bewegen können. Ist der Sattel zu eng oder liegt er zu weit vorne, blockiert er diese Bewegung. Besonders bei Pferden mit viel Schulterfreiheit (z. B. Warmblüter oder iberische Rassen) ist das ein kritischer Punkt.
Ein gut passender Sattel hat daher ausreichend Raum im vorderen Bereich, um das Schulterblatt ungehindert gleiten zu lassen. Viele moderne Sättel haben freiliegende Kissenkanäle oder gepolsterte Schulterfreiheit, um dem gerecht zu werden.
3. Wo darf kein Gewicht landen?
Kein Druck darf auf die Lendenwirbelsäule oder die Brustwirbelenden hinter dem letzten Rippenbogen einwirken. Dort gibt es keine stabile Verbindung mehr – das Pferd kann diesen Bereich biomechanisch nicht stabilisieren. Dauerhafte Belastung dort führt zu Verspannungen, Trageschwäche oder gar Kissing Spines.
Auch auf der Wirbelsäule selbst darf kein Druck entstehen – der Wirbelkanal muss frei bleiben. Der sogenannte Kammerkanal (der Raum zwischen den Sattelkissen) muss daher mindestens 3–4 Finger breit sein – individuell je nach Pferderücken. Denn die Dornfortsätze des Pferdes rotieren in der Bewegung.
Achtung:
Baumlose und Westernsättel sind oft länger und haben im Berich der Lendenwirbelsäule noch Leder. Darauf kann man z.B. einen Regenmantel festmachen, so dass er nicht auf dem Pferderücken scheuert. Auch Pads oder Decken ragen oft über den Sattel hinaus. Das ist in Ordnung, solange der Sitz des Sattels und damit das Gewicht des Reiters VOR der letzten Rippe endet.
4. Wo muss der Gurt liegen?
Die richtige Gurtlage ist entscheidend für die Stabilität des Sattels. Der Gurt gehört hinter den Ellenbogen, etwa eine Handbreit dahinter, in die natürliche Gurtlage des Pferdes.
Ein Sattel, der nur durch enge Gurte in Position gehalten wird, ist nicht passend – und rutscht trotz festem Gurt entweder nach vorne oder kippt. Das sorgt für Scheuerstellen, Druck oder Atemprobleme.
Daher: Der Sattel muss von sich aus ruhig in der Sattellage liegen, ohne durch den Gurt in Position gezwungen zu werden.
5. Schwerpunkt: Wo muss der Reiter sitzen?
Der Schwerpunkt eines gut angepassten Sattels liegt mittig über dem Pferderücken, ungefähr über dem 12.–14. Brustwirbel, und unter dem Reitergewicht.Ist der Schwerpunkt zu weit hinten, lastet das Reitergewicht auf der Lendenpartie – das Pferd „geht auf die Hand“, der Rücken sackt ab.Ist der Schwerpunkt zu weit vorne, kippt der Sattel auf die Schulter und blockiert die Vorhand. An diesem Punkt stehen auch die Dornfortsäze gerade, das heißt, sie sind nicht nach vorne oder hinten geneigt. Das vermindert das Risiko von Kissing Spines.
Ein guter Sattel erlaubt es dem Reiter, balanciert in der Mitte zu sitzen, ohne in den Stuhlsitz oder Spaltsitz zu rutschen.
6. Darf ein Sattel wackeln oder kippen?
Kurz gesagt: Nein. Ein gut sitzender Sattel liegt ruhig auf, auch in der Bewegung, und kippt nicht nach vorne oder hinten.Auch das Hochschnellen des Hinterzwiesels beim Angurten ist ein Zeichen für schlechte Passform. Kippt der Sattel beim Aufsteigen oder beim Reiten (z. B. bei Übergängen oder im Galopp), ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass der Schwerpunkt oder die Kissenform nicht passt.
Ein gut angepasster Sattel wackelt auch nicht seitlich, wenn der Reiter korrekt sitzt. Seitliches Kippen deutet auf mangelnden Kontakt zum Rücken oder Asymmetrien im Pferd oder Sattel hin.
7. Studien & Forschung zum Thema Sattelanpassung
Dr. Sue Dyson (2020) stellte in einer Studie fest, dass über 70 % der gerittenen Pferde einen nicht korrekt passenden Sattel tragen, was in vielen Fällen mit Lahmheiten oder Rittigkeitsproblemen korrelierte.
Hilary Clayton untersuchte die Druckverteilung unter verschiedenen Sätteln und wies nach, dass schlecht angepasste Sättel zu lokalem Überdruck führen, vor allem im Bereich der Schulter und Lendenregion.
Studien aus der Pferdeklinik der Universität Leipzig zeigen, dass sogar kleine Abweichungen in der Kissenform zu muskulären Verspannungen führen können – insbesondere bei längerer Belastung.
Fazit: Der Sattel muss zum Pferd – nicht umgekehrt
Ein Sattel muss maßgeschneidert zum Pferd (und Reiter!) passen, nicht nur in der Breite, sondern auch in Länge, Winkelung, Kissenform, Schwerpunkt und Flexibilität.
Das bedeutet: Regelmäßige Kontrolle durch ausgebildete, unabhängige Sattelfitter, besonders in Phasen körperlicher Veränderung (Muskelaufbau, Alter, Training, Fütterung), ist Pflicht.
Denn ein unpassender Sattel verursacht nicht nur Probleme – er macht gesundes Reiten unmöglich. Pferde, die sich „nicht reiten lassen wollen“, haben oft einfach nur einen Sattel, der schmerzt.
Tipp: Lasse deinen Sattel mindestens 1–2 Mal pro Jahr professionell überprüfen – oder öfter, wenn du Veränderungen bemerkst. Und: Achte auf dein Pferd. Wenn es plötzlich klemmt, bockt, schleift oder lahmt – ist der Sattel oft der erste Verdächtige.


