Wie wollen Pferde leben?
- sabinelagies
- 22. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Pferde haben sich in Jahrmillionen perfekt an das Leben in der freien Natur angepasst. Ihre Bedürfnisse sind tief in ihrer Biologie verankert – doch unsere moderne Haltung entspricht diesen natürlichen Anforderungen nur selten vollständig. Wer ein Pferd besitzt oder betreut, sollte deshalb die Frage stellen:
Wie wollen Pferde eigentlich leben?

Das natürliche Leben von Pferden – ein Blick in die Steppe
1. Herdenstruktur: Sicherheit durch Gemeinschaft
In freier Wildbahn leben Pferde in stabilen, sozialen Gruppen:
Familienverbände bestehen meist aus einem Hengst, mehreren Stuten und deren Fohlen.
Jungtiere verlassen die Gruppe mit etwa 2–3 Jahren und bilden eigene Jugendgruppen.
Gruppen sind stabil – Fluktuation ist selten und stresst die Tiere.
Klare Hierarchien sorgen für Harmonie und Sicherheit.
2. Bewegung: langsam, stetig, ausdauernd
Pferde legen täglich 10–20 Kilometer im Schritt zurück – meist ruhig, suchend nach Futter oder Wasser. Nur bei Gefahr wird galoppiert.
3. Fläche: viel Platz, viel Überblick
Pferde brauchen große, offene Flächen, um sich sicher zu fühlen. Enge, unübersichtliche Räume oder Trennungen verunsichern sie.
4. Fressen: Dauerfresser mit Feingefühl
Pferde verbringen 14–18 Stunden täglich mit Fressen.
Sie nehmen in kleinen Portionen kontinuierlich rohfaserreiches Futter (Gras, Kräuter, Heu) auf.
Lange Fresspausen stressen sie – sowohl psychisch als auch körperlich (Kolikgefahr, Magengeschwüre).
Und wie sieht die Realität aus? Haltungssysteme im Überblick
Im Folgenden schauen wir uns gängige Haltungsformen an – und was sie vom natürlichen Pferdeleben ermöglichen oder verhindern.
🐴 Boxenhaltung (Einzelbox)
Beschreibung:
Das Pferd steht in einer Einzelbox, meist mit stundenweisem Weide- oder Paddockgang.
Vorteile:
Schutz vor Witterung
Kontrolle über Fütterung und Verletzungen
Nachteile:
Kein Sozialkontakt (nur Sichtkontakt)
Wenig Bewegung
Lange Fresspausen ohne Raufuttergabe
Fazit:
Für das soziale Herdentier Pferd ist die Einzelboxhaltung nicht artgerecht – sie widerspricht fast allen natürlichen Bedürfnissen.
🐴 Paddockbox
Beschreibung:
Einzelbox mit angeschlossenem, kleinen Außenbereich (Paddock).
Vorteile:
Etwas mehr Bewegung
Frischluft, Tageslicht
Nachteile:
Kein direkter Sozialkontakt
Bewegung weiterhin stark eingeschränkt
Fazit:
Besser als die reine Box, aber immer noch weit entfernt vom natürlichen Leben.
🐴 Offenstall
Beschreibung:
Pferde leben in einer Gruppe mit freiem Zugang zu Unterstand, Futter und Auslauf.
Vorteile:
Sozialkontakte möglich
Selbstbestimmte Bewegung
Dauerhafter Zugang zu Futter (idealerweise)
Nachteile:
Erfordert stabile Gruppenstruktur
Mobbing bei schlechter Zusammenstellung möglich
Fazit:
Ein gut geführter Offenstall kommt dem natürlichen Leben sehr nahe – besonders bei konstanter Gruppenzusammensetzung und angepasstem Fütterungskonzept.
🐴 Laufstall / Bewegungsstall (z. B. Aktivstall)
Beschreibung:
Technisch unterstützter Offenstall mit separaten Fress-, Ruhe- und Bewegungszonen. Fütterung erfolgt portionsweise über Automaten, teilweise individuell computergesteuert.
Vorteile:
Sehr viel Bewegung
Sozialleben in stabiler Herde
Kontrollierte, individuelle Fütterung
Rund-um-die-Uhr-Zugang zu Raufutter
Nachteile:
Hohe Investitionskosten für Betreiber
Eingewöhnung für neue Pferde kann schwierig sein
Fazit:
Ein gutes Aktivstallkonzept ermöglicht Pferden ein Leben, das dem in freier Natur sehr nahekommt – ideal für gesunde, sozialverträgliche Tiere.
🐴 Weidehaltung (ganzjährig oder saisonal)
Beschreibung:Pferde leben im Herdenverband auf großen Weideflächen.
Vorteile:
Natürlichste Fress- und Bewegungsweise
Frischluft und Abwechslung
Nachteile:
Wetter- und bodenabhängig
Begrenzte Kontrolle über Futter und Zustand
Gefahr bei Übergewicht oder empfindlichen Hufen (z. B. Rehegefahr)
Fazit:
Bei gesunden, robusten Pferden und guter Flächenpflege ist Weidehaltung sehr artgerecht – aber nicht für jedes Pferd geeignet.
Was bedeutet das für uns als Pferdehalter?
Pferde sind hochsoziale Lauftiere und dauerfressende Pflanzenfresser. Je mehr wir in der Haltung ihre natürlichen Bedürfnisse berücksichtigen, desto gesünder und ausgeglichener sind sie – physisch wie psychisch.
Die wichtigsten Bedürfnisse auf einen Blick:
Sozialkontakt: echte Herdenbindung mit festen Partnern
Bewegung: möglichst ganztägig, in ruhigem Tempo
Futter: kontinuierlicher Zugang zu Raufutter
Platz: Weite, Übersicht, Rückzugsorte
Fazit: Artgerechte Haltung ist kein Luxus – sie ist Pflicht
Pferdehaltung sollte sich nicht nach menschlicher Bequemlichkeit, sondern nach den natürlichen Bedürfnissen des Pferdes richten. Ein Pferd, das so leben darf, wie es seinen Instinkten entspricht, wird nicht nur gesünder, sondern auch zufriedener und leichter im Umgang sein.
Denn am Ende gilt: Ein gutes Leben macht ein gutes Pferd.


