Kann man online Reiten lernen?
- sabinelagies
- 22. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Warum digitales Lernen den Reitunterricht nicht ersetzen kann
Reiten liegt im Trend – und mit ihm auch das digitale Lernen rund ums Pferd. Immer mehr Plattformen, Kurse und Videoangebote bieten online „Reitunterricht“ an. Gerade in Zeiten, in denen Unterrichtsplätze knapp sind oder Fahrzeiten lang, scheint das eine willkommene Alternative. Doch kann man wirklich Reiten lernen – ganz ohne Pferd unter dem Sattel und Trainer an der Seite?

Wie funktioniert Reitunterricht eigentlich?
Guter Reitunterricht ist mehr als die Vermittlung von Theorie. Ein erfahrener Reitlehrer beobachtet sein Schüler-Pferd-Paar ganz genau. Er sieht kleinste Anzeichen dafür, dass etwas gleich aus dem Ruder laufen könnte – oder dass eine Bewegung besonders gelungen ist.
Und das Wichtigste: Er greift in dem Moment ein, in dem es passiert.
Das Ziel ist, dem Reitschüler die Möglichkeit zu geben, selbst zu spüren, was richtig oder falsch ist. Denn Reiten ist keine Kopfsache – es ist ein Fühlen, ein Timing, ein ständiger Dialog mit einem lebendigen Wesen. Nur durch unmittelbare Rückmeldung kann sich das richtige Gefühl entwickeln, das die Grundlage für sicheres, feinfühliges und unabhängiges Reiten ist.
Was Onlineunterricht leisten kann – und was nicht
Onlineangebote bieten oft Videoanalysen, Livecalls oder aufgezeichnete Lehrvideos. Das kann helfen, das Auge zu schulen: Man lernt, Bewegungsabläufe zu erkennen, Fehler zu analysieren und zu verstehen, warum etwas funktioniert – oder nicht.
Doch genau hier liegt der Unterschied: Was im Video sichtbar ist, ist nicht mehr spürbar. Der Moment ist vorbei, das Gefühl verflogen. Die Reaktion des Pferdes, das Zögern in der Hand, der Impuls im Sitz – all das lässt sich im Nachhinein schwer abrufen.
Reiten ist ein körperlich-motorischer Lernprozess. So wie man nicht durch das Anschauen von Tanzvideos das Tanzen fühlen lernt, kann man auch nicht durch das Studieren von Reitvideos das Reiten erleben. Ohne das Gefühl – ohne das direkte Erleben – fehlt der entscheidende Baustein im Lernprozess.
Theoretisches Wissen ja – praktisches Können nein
Onlineformate können eine hervorragende Ergänzung sein:
Sie helfen beim Verstehen der Ausbildungsskala,
erklären biomechanische Zusammenhänge,
unterstützen bei der Planung von Trainingseinheiten
oder liefern neue Impulse für den Alltag mit dem Pferd.
Aber: Wer wirklich lernen will zu reiten – also ein Pferd in Balance zu bringen, es durch feine Hilfen zu gymnastizieren und auf kleinste Veränderungen zu reagieren – braucht unmittelbare Rückmeldung im Sattel.
Nur dann entsteht ein echtes Reitgefühl. Nur dann kann man lernen, auf das Pferd einzugehen, es zu begleiten – statt es zu kontrollieren.
Fazit: Online lernen – ja, aber nicht reiten
Onlineangebote sind eine wertvolle Unterstützung für jeden Reiter, der über den Tellerrand schauen möchte. Sie erweitern das theoretische Wissen, verbessern das Verständnis für Zusammenhänge und schulen das Auge.
Aber Reiten lernen – im eigentlichen, praktischen Sinn – funktioniert nur mit einem Pferd unter sich, einem Trainer neben sich und einem offenen Gefühl in sich.


